Daniel Rosenblatt
Zwischen Männern
Gestalttherapie und Homosexualität

Mit einer Buchbesprechung von Susan Goodman

 Während Psychoanalyse und Psychiatrie jahrzehntelang von Perversion sprachen und im "besten" Falle Beihilfe zur Anpassung boten, distanzierten sich Fritz und Lore Perls - die Begründer der Gestalttherapie - von dieser herkömmlichen Betrachtung sexueller Vorlieben. Sie gingen bei der Wahl ihrer Mitarbeiter, Gefährten und Freunde nicht nach deren sexuellen Neigungen, sondern nach ihren persönlichen Qualitäten - so sehr, daß Gestalttherapie zeitweilig als pro-schwul verschrien war.
Lore Perls betonte gerne, daß Gestalttherapie keine Anpassungstherapie ist, doch insgesamt hat die gestalttherapeutische Theorie Homosexualität mehr als 40 Jahre lang übergangen.
Nun erscheint endlich ein Buch zu diesem wichtigen Thema. Der Autor, der schwule Gestalttherapeut Daniel Rosenblatt, Schüler und Vertrauter von Lore Perls, erzählt in seinem sehr persönlichen und lebendigen Buch über seine Erfahrungen in mehr als 30jähriger gestalttherapeutischer Arbeit mit schwulen Männen - in der Einzeltherapie und in der Gruppentherapie.

Aus dem Amerikanischen von Thomas Bliesener
Herausgegeben von Anke und Erhard Doubrawa
Edition GIK Gestalt-Institute Köln und Kassel
im Peter Hammer Verlag, 3. Auflage, Wuppertal 1998

208 Seiten, broschiert, 13,90 Euro

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Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

Susan Goodman: Besprechung dieses Buches

Die New Yorker Gestalttherapeutin Susan Goodman - übrigens die Tochter von Paul Goodman, dem Mitbegründer der Gestalttherapie - schrieb diese Buchbesprechung unlängst anläßlich der Veröffentlichung der amerikanischen Ausgabe von Daniel Rosenblatts ergreifendem Buch zur Praxis der Gestalttherapie.

Dan Rosenblatt, der legendäre Gestalttherapeut, der seit 35 Jahren in New York City praktiziert, hat ein literarisches und sehr humanes Buch über seine Arbeit mit homosexuellen Klienten geschrieben. Rosenblatt beleuchtet, auf welche Weise er "den Klienten die Chance anbietet, das zu untersuchen, zu verstehen und anzunehmen, was mit ihnen passiert und was ihr eigener Anteil an ihrem Drama ist". Er berichtet von seinen eigenen Erfahrungen mit der Gegenübertragung und mit den Grenzen, die dies dem therapeutischen Prozeß setzt, von seinen Fehlern, seinen Werten, seinen sexuellen Versuchungen, seinen Bewertungen und von seiner Blindheit, wenn seine eigenen Ängste oder Bedürfnisse ins Spiel kommen. Rosenblatt kennt seine Defizite. Seine Klienten können sich ihren Defiziten stellen, teils darum, weil sie ihm vertrauen, daß er selbst auf seine Defizite während der Zusammenarbeit achten wird.

Die Frage, wie man Schwulen helfen kann, in einer homophoben Gesellschaft zu überleben, in welcher sie überproportional an Schuldgefühlen, Scham, Angst und Selbsthaß leiden, steht im Herzen des Buches von Rosenblatt. Er übernimmt eine schwierige Aufgabe: "jeder Person mit der ich arbeite, zu helfen, einen Lebensweg zu finden, der befriedigend für sie ist, einen Weg, der nicht darin besteht, mir, ihrer Familie, ihrer Kirche, ihrer Regierung, ihren Freunden, ihren Geliebten oder ihren Kollegen zu gefallen, sondern nur ihr selbst." Rosenblatt setzt sich auseinander mit solch heißen Themen wie Macht, Intimität, Sex, Treue, Drogen, Alkohol, Promiskuität, Badehäusern, Betrug, Herumtreiben auf Klos, Altern, Fetischismus und Prostitution. Ein Dutzend Fallstudien illustrieren, wie diese Themen Liebende, Familienmitglieder, Freunde, Kollegen, das Leben in den Schwulen-Ghettos und politische Organisationen beeinflussen. Klinisch nützliche kurze Traumdeutungen, Rollenspiele, Paararbeiten, Gruppentherapien ziehen sich durch den Text ebenso wie Gedanken von Rosenblatt selbst, warum er sich so entschieden hat, wie er es tat.

Mit dem Ausbruch der AIDS-Epidemie 1981 wurde Rosenblatt der Psychotherapeut der Sterbenden, ihrer Partner, Freunde und Familienmitglieder. Zeuge von einem Schrecken, den er in seinem Ausmaß mit der Grippe-Epidemie von 1918 oder dem Holocaust vergleicht, versuchte er, den Menschen durch ihre Trauer und ihren Gram hindurchzuhelfen. Er strebte danach, die realen von den irrealen Ängsten zu trennen, die Paranoia zu bremsen, Depression von echter Trauer "um den Verlust von Gesundheit, von Lebenslust, von Freunden, von Lebensperspektiven" zu unterscheiden. Er zeichnet die Varianten von Schuld und Verdrängung in allen Facetten.

Dies ist nicht nur ein Text für alle, die mit AIDS-Opfern arbeiten, sondern für jeden, der mit einer chronischen Krankheit zu tun hat, etwa Krebs. Rosenblatts klinische Erfahrung, seine durchdachte Toleranz und sein klarer ethischer Standpunkt ziehen sich durch dieses außergewöhnliche und geistreiche Buch. Man versteht, warum er als Trainer von Gestalttherapeuten in Amerika, Europa, Japan und Australien gefragt war und warum er so viele begeisterte Klienten und Schüler hat. Dies Buch ist ein bedeutsamer, erzählerisch geschriebener Beitrag zu der Frage, wie man in schrecklichen Zeiten ein Leben als Therapeut führen kann.

Geleitwort der Herausgeber

Während Psychoanalyse und Psychiatrie jahrzehntelang von Perversion sprachen und im ‹besten" Falle Beihilfe zur Anpassung boten, distanzierten sich Fritz und Lore Perls - die Begründer der Gestalttherapie - von dieser herkömmlichen Betrachtung sexueller Vorlieben. Sie orientierten sich bei der Wahl ihrer Mitarbeiter, Gefährten und Freunde nicht an deren sexuellen Neigungen, sondern an ihren persönlichen Qualitäten - so sehr, daß Gestalttherapie zeitweilig als pro-schwul verschrien war.

Lore Perls betonte gerne, daß Gestalttherapie keine Anpassungstherapie sei, doch insgesamt hat die gestalttherapeutische Theorie das Thema Homosexualität mehr als 40 Jahre lang übergangen.

Nun erscheint endlich ein Buch zu diesem wichtigen Thema. Der Autor, der amerikanische Gestalttherapeut Dan Rosenblatt, Schüler und enger Vertrauter von Lore Perls, erzählt in seinem sehr persönlichen und lebendigen Buch über seine Erfahrungen aus mehr als 30 Jahrens gestalttherapeutischer Arbeit mit schwulen Männen, in der Einzeltherapie und in der Gruppentherapie. Großzügig - und keineswegs selbstverständlich - gibt er dabei auch Einblick in seine eigenen inneren Prozesse als Therapeut.

Seit vielen Jahren schon dürfen wir seine Großzügigkeit erfahren. Dan war unser Therapeut und Lehrer. Er leitete zahlreiche Gestalttherapie-Workshops in unserem Institut und war Trainer im Rahmen unserer Gestalttherapie-Ausbildungsgruppen. Darüber hinaus hat er unsere Institutsarbeit wohlwollend als Freund und Ratgeber unterstützt und begleitet.

Aus dieser Zusammenarbeit sind bereits drei weitere GIK-Veröffentlichungen entstanden, auf die wir an dieser Stelle gerne hinweisen möchten: Es sind zwei Bücher: Gestalttherapie für Einsteiger. Eine Anleitung zur Selbst-Entdeckung und Der Weg zur Gestalttherapie. Lore Perls im Gespräch mit Daniel Rosenblatt Und schließlich eine Audio-Cassette: Bin ich meines Bruders Hüter? Gestalttherapie mit Aids-Patienten.

Jetzt, wo Dan sich von seiner aktiven Gruppenleitertätigkeit zurückzieht, wünschen wir seinem neuen Buch, daß es seine Arbeit in der breiten Öffentlichkeit fortsetzt.

Und Dir, lieber Dan, wünschen wir alles Liebe und Gute. Wir sind froh und dankbar, daß wir Dich kennen.

Köln, im März 1998

Anke und Erhard Doubrawa, Herausgeber

Gestalt-Institut Köln / GIK Bildungswerkstatt


Weitere ausführliche Leseproben aus diesem Buch finden Sie hier:


Bitte beachten Sie
auch Daniel Rosenblatt weitere Beiträge zur Gestalttherapie:

"Gestalttherapie für Einsteiger" (Buch)

"Der Weg zur Gestalttherapie. Gespräch mit Lore Perls" (Buch)

"Gestalttherapie mit Aids-Patienten" (Vortrag) 

 Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

Daniel Rosenblatt (Foto: Kurt Schröter)Daniel Rosenblatt

DR. DANIEL ROSENBLATT

wurde 1925 in Detroit/Michigan geboren. Er studierte in Harvard und Cambridge und erlernte Gestalttherapie bei Laura Perls. Nach einer langjährigen akademisch-wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitet er seit über 30 Jahren in seiner privaten psychotherapeutischen Praxis in New York. Er ist "Fellow" und ehemaliger Vizepräsident des New Yorker Instituts für Gestalttherapie und leitet Ausbildungsgruppen in Gestalttherapie in den USA, Europa, Australien und Japan.

Er ist Direktor des "Social Science Programs" im New Yorker Department of Health und Direktor für Soziale Studien an der Einstein-Universität, Abteilung Gesundheitsvorsorge.

Aus dem Amerikanischen von Thomas Bliesener
Herausgegeben von Anke und Erhard Doubrawa
Edition GIK Gestalt-Institute Köln und Kassel

im Peter Hammer Verlag, 3. Auflage, Wuppertal 1998

208 Seiten, broschiert, 13,90 Euro

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