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Stefan Blankertz
Gestalttherapeutische Diagnostik in Beratung, Therapie und Coaching
Mit dem neuen "Gestalttypen-Indikator" (GTI)


Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

  • Gestalttherapie und ihre Weiterentwicklung
  • Gestalttherapie als spirituelle Suche
  • Gestalttherapie als politische Praxis

Gestaltkritik verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

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Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

  Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus der Gestaltkritik 1-2004:

Stefan Blankertz
Gestalttherapeutische Diagnostik in Beratung, Therapie und Coaching
Mit dem neuen "Gestalttypen-Indikator" (GTI)

 

Foto: Stefan BlankertzStefan Blankertz (Foto: Hagen Willsch)

 

Der Gestalttypen-Indikator (GTI) ist ein aus Fragebogen und Computerauswertung zusammengesetztes, völlig neuartiges Instrument. So etwas ist für die Gestalttherapie ungewöhnlich. Wir möchten im Folgenden darstellen, dass der GTI den Anforderungen der Gestalttherapie-Theorie an Diagnostik entspricht und ein geeignetes Instrument ist, mit dem sich GestalttherapeutInnen besonders im Bereich Coaching professionalisieren können. Die Entwicklung des GTI basiert auf Überlegungen, die wir in unserer "Einladung zur Gestalttherapie: Eine Einführung mit Beispielen" (Wuppertal 2002) begonnen haben.

 

Gibt es eine Form der "Diagnose", die den Therapieprozess unterstützt?

"Diagnostik" hat in der gestalttherapeutischen Diskussion keinen guten Klang. Das ist auch verständlich. Ist die psychotherapeutische Diagnostik am physiologischen Modell orientiert, so führt sie zur Isolierung eines "Symptoms" und dessen Rückführung auf eine vermutete Ursache (z.B. Kindheit der KlientInnen, Trauma o.ä.). Anstatt Unterstützung bei der Heilung ist das Ergebnis dieser Diagnostik jedoch oft eine Stigmatisierung.

Weil diese Kritik an der Diagnostik inzwischen eine ziemlich weite Anerkennung gefunden hat, wurden standardisierte Klassifikationen eingeführt, die sich nicht an bestimmten Schulrichtungen und Erklärungsmodellen orientieren sollen. Beispielsweise werden nach dem "Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen" (DSM, aktuelle Fassung DSM-IV) bestimmte Symptome in ihrer Häufigkeit beobachtet und führen zusammengefasst zur Klassifikation einer "Störung".

Die gestalttherapeutische Kritik an der Diagnose ist gut begründet. Ist es angemessen, daraus abzuleiten, ganz auf jede diagnostische Dimension in der Therapie verzichten zu müssen? Es gibt ja in der Gestalttherapie diagnostische Begriffe. Diese Begriffe - Deflektion, Konfluenz, Projektion, Retroflektion und Introjektion - bergen allerdings ebenso wie alle anderen derartigen aus theoretischen Modellen gewonnen Begriffe die Gefahr in sich, dass die TherapeutInnen sie den KlientInnen zuschreiben und meinen, damit ein bestimmtes problematisches Verhalten erklärt zu haben. Diese Erklärung wird leicht mit der Intervention verwechselt, als ob die Erklärung und nicht die Medizin heilen würde. Dann "ist" die eine Klientin oder der eine Klient ein "Introjektor" und dies "erklärt" ein (angebliches) Fehlverhalten. Anstatt zu heilen, wirkt das Stigma häufig auch noch als Verfestigung: Die KlientInnen identifizieren sich mit der Erklärung, die das Fehlverhalten zu einem Muster machen, aus dem es kein Entrinnen gibt - das Entrinnen wird nicht einmal mehr gesucht, weil es ja so "leicht" ist, sich mit seinem Stigma zu entschuldigen. Demgegenüber sieht die Gestalttherapie nicht in der Erklärung, sondern im therapeutischen Prozess die heilende "Medizin".

Schon im Ursprungstext der Gestalttherapie fragen Perls/Hefferline/Goodman, wie man es vermeiden könne "eine Norm durchzusetzen, statt dem anderen seine Möglichkeiten entfalten zu helfen" (Perls, Hefferline, Goodman, Gestalttherapie, 1951, dt. München 1991, S. 247). Die Antwort lautete, "dass wir unsere Begriffe im Prozess finden". Die Typologie, die die Autoren entwarfen (nämlich Konfluenz, Projektion, Retroflektion, Introjektion - die Deflektion fehlte als Begriff noch und wurde von Erving und Miriam Polster in ihrem Buch "Gestalttherapie" [zuerst 1973; dt. Wuppertal 2001] hinzugefügt), sollte nicht die KlientInnen als Personen oder "Charaktere" kennzeichnen, sondern eine Tätigkeit von ihnen: Mit den Begriffen sollten Tätigkeiten beschrieben werden, mit denen sich KlientInnen bei der Kontaktnahme "unterbrechen".

Andererseits: Ganz auf Diagnose zu verzichten und ausschließlich auf den Prozess zu vertrauen, würde gegen einen anderen Grundsatz der gestalttherapeutischen Haltung verstoßen, nämlich dem der Transparenz. Denn die KlientInnen sollen nicht zum Objekt des therapeutischen Prozesses gemacht gewerden. Damit sie zu Subjekten des Prozesses werden können, müssen sie über ihn aufgeklärt werden. KlientInnen kommen ja mit einer Art "Selbstdiagnose" zu den TherapeutInnen, sonst säßen sie nicht da! Sie sagen zum Beispiel: "Das und das läuft bei mir darum oder darum schief." Gerade wenn GestalttherapeutInnen der offenen oder versteckten Forderung der KlientInnen entgegentreten, das so beschriebene Symptom "wegzumachen", tun sie dies, weil sie die Diagnose haben, dass ein solches "Wegmachen" keinen guten Wachstumsprozess in Gang bringt. Die KlientInnen haben ein Recht, diese Diagnose zu erfahren.

 

Der Anspruch an eine gestalttherapeutische Diagnose, die sich aus diesen Überlegungen ergibt, lautet:

- Die Diagnose darf nicht stigmatisierend sein.

- Die Diagnose sollte den KlientInnen nicht als von den KlientInnen undurchschaubare Expertenmeinung überstülpt werden.

- Die Diagnose ist eine Unterstützung im Wachstums- und Heilungsprozess.

 

In diesem Sinne geht es in der Gestalttherapie nicht darum, dass bzw. warum KlientInnen ein Problem haben, sondern wie sie es haben. Die prozessorientierte Diagnose beschreibt weder den Charakter der KlientInnen noch die (z.B. biografische) Entstehung eines angeblichen Problems, sondern das, was die KlientInnen tun, um ein Problem sich selbst gegenüber unlösbar erscheinen zu lassen. Die Beschreibung und Typisierung von Tätigkeiten anstatt von Charakteren bzw. Problemen hat zunächst den entscheidenden therapeutischen Vorteil, dass sich KlientInnen zu Tätigkeiten meist alternative Möglichkeiten vorstellen können, was für den eigenen "Charakter" nicht der Fall ist. Es gibt jedoch einen weiteren, mindestens ebenso großen Vorteil: Die Typisierung von Tätigkeiten anstatt von Charakteren durchbricht die Analogie zur körperlichen "Krankheit". Denn nach gestalttherapeutischer Auffassung dient es nicht dem Heilungsprozess, das Problem zu benennen, sondern die Art und Weise, wie die KlientInnen mit Problemen umgehen. Diesen Gedanken wollen wir noch etwas erläutern:

 

Jemand "hat" eine Grippe als Krankheit. Dies zu diagnostizieren bedeutet, dass der Arzt für eine bestimmte medizinische Intervention Chancen auf Erfolg sieht. Die psychotherapeutische Analogie sagt nun, jemand "hat" einen Ödipuskomplex oder "ist" neurotisch oder dergleichen. Bei der Krankheit ist das Wort "Grippe" der Oberbegriff für die Probleme, unter denen die KlientInnen leiden (Symptome wie Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit etc.) und die die Therapie abstellen soll. Dagegen lenkt die übliche psychotherapeutische "Diagnose" von dem eigentlichen Problem ab, mit dem die KlientInnen kommen, beispielsweise: "Ich mache immer wieder diesen Fehler." Gestalttherapeutisch sinnvoll ist dagegen die Beschäftigung mit diesem Fehler und die Frage, wie die KlientInnen ihn - immer wieder - begehen, nicht jedoch ein Zurückwerfen auf eine allgemeine Typologie der Persönlichkeit.

 

 

Die gestalttherapeutische Diagnose mit dem GTI

Die gestalttherapeutische Diagnose ist demnach am Kontaktprozess orientiert und nicht an der Zuschreibung vermeindlicher Charaktereigenschaften. Es bleibt jedoch nach wie vor die Schwierigkeit bestehen, dass die TherapeutInnen dazu neigen könnten, bei dem Mitvollziehen des Prozesses der KlientInnen darauf angewiesen sind, Hypothesen zu bilden, z.B. derart: "Dieses oder jenes von der Klientin oder vom Klienten als problematisch erlebte Tun stellt sich mir als Introjektion dar." Der GTI hilft den TherapeutInnen unter anderem, gegenüber solchen Zuschreibungen die Innensicht der KlientInnen dem gemeinsamen Prozess zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis des GTI ist keine Zuschreibung einer Krankheit, nichteinmal die Diagnose eines Problems, vielmehr hilft es, den Prozess nachzuverfolgen, den die KlientInnen durchmachen, wenn sie sich mit einem Problem konfrontiert sehen, das sie nicht selbstreguliert meinen lösen zu können.

Die Grundlage des GTI ist die Gestaltwelle (auch "Kontaktzyklus" genannt) und die Zuordnung von den Problemen des Kontaktes ("Kontaktunterbrechungen", "Kontaktstörungen" oder "Kontakthemmungen" genannt), wie sie von uns (Einladung zur Gestalttherapie, 3. Auflage Wuppertal 2002, S. 73) entwickelt worden ist:

1. Vorkontakt. Ein Bedürfnis entsteht langsam, indem es sich bemerkbar macht. Das genaue Bedürfnis ist noch unklar, zunächst ist da nur Unruhe, Unwohlsein, unbestimmte Erregung usw., die dazu dient, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dieses Stadium wird "Vorkontakt" genannt, weil ein konkreter Kontakt mit irgendetwas noch nicht besteht.

2. Kontakt mit dem eigenen Bedürfnis. Dann bemerkt man das sich intensivierende Bedürfnis, bemerkt z.B.: "Ich habe Hunger." In diesem Stadium beginnt der Kontakt. Zunächst ist dies der Kontakt "mit sich selbst" bzw. mit seinem Bedürfnis. Die Erregung nimmt zu, es beginnt sich die Energie aufzubauen, die notwendig ist, um das Bedürfnis befriedigen zu können.

3. Kontakt mit der Umwelt: Sehen und Tasten = Auswählen und Beurteilen. Das folgende Stadium ist die Kontaktaufnahme mit der Umwelt. Man erforscht die Möglichkeiten, das Bedürfnis zu befriedigen, z.B. das Vorhandensein von etwas, das den Hunger stillt. Dies kann etwa durch Blickkontakt geschehen oder durch den Blick in die Erinnerung ("Ist wohl noch ein Steak im Kühlschrank?"). Die Erwartung, das Bedürfnis befriedigen zu können, steigert die Energie, die zur Verfügung gestellt wird, fast auf den Höhepunkt.

4. Kontakt mit der Umwelt: Handeln, Eingreifen, Umgestalten, Zerlegen = Aggression. Darauf folgt der direkte Kontakt: Man tut, was das Bedürfnis sagt und wozu die Umwelt eine Ressource bereit hält. Dieses Stadium kann lange anhalten, wenn die Befriedigung des Bedürfnisses schwierig ist (beispielsweise muss erst etwas Essbares eingekauft werden). Die aggressive Umgestaltung der Umwelt in der Weise, die das Bedürfnis zu befriedigen erlaubt, bedarf der Energie. Es kann aufgrund der sich auftuenden Schwierigkeiten noch weitere Energie mobilisiert werden, jedoch verbraucht sie sich schnell. Der Höhepunkt der Erregung wird erreicht und dann überschritten.

5. Kontakt mit der Umwelt: Assimilation (andere verwendete Begriffe: "Integration", "kreative Anpassung"). Schließlich muss, um das Bedürfnis zu befriedigen, die Umwelt-Ressource (= Nahrung) aufgenommen, umgestaltet und mit dem eigenen Körper "vermischt" (= Verdauung) werden. (Die Nahrungsaufnahme ist die Grundlage des Lebens. Analog laufen alle Lebensprozesse ab. Wenn wir z.B. mit einem ungewöhnlichen Gedanken konfrontiert werden, sagen wir: "Das muss ich erstmal verdauen.") Mit der Assimilation flaut die Erregung schnell ab.

6. Nachkontakt. Wenn das Bedürfnis schließlich erfüllt ist, stellt sich Befriedigung ein, wenn man der Befriedigung Raum gibt.

 

Grafik 1:

 

Dieser Welle haben wir Deflektion, Konfluenz, Projektion Retroflektion und Introjektion jeweils den einzelnen Stadien zugeordnet.

 

Grafik 2:

Nach unserer Übersicht wird die Tatsache, dass es gestalttherapeutisch gesehen fünf Kontaktstörungen gibt - Deflektion, Konfluenz, Projektion, Retroflektion und Introjektion - und dass Erving und Miriam Polster den vier bei Perls/Hefferline/Goodman genannten die "Deflektion" hinzugefügt haben, als gegeben hingenommen. Bei der Umwandlung in ein therapeutisches Instrumenterium war allerdings die Frage unabweisbar, warum es diese und nur diese Kontaktstörungen geben soll. Die Antwort ist erstaunlich einfach: Es handelt sich um die fünf logischen Möglichkeiten, mit einem Kontaktangebot umgehen zu können:

- Abwendung (Deflektion),

- Negierung der Kontaktgrenze (Konfluenz),

- Nichtwahrnehmung der Eigenschaften des Objektes, an Stelle dessen Substituierung durch Unterstellung (Projektion),

- Umlenkung der Absichten bezüglich des Objektes auf sich selbst (Retroflektion) und

- Nichtverwandlung des Objektes bei Kontaktvollzug (Introjektion).

 

1. Introjektion bezeichnet die "unverdaute", "unassimilierte" oder "unangepasste" Aufnahme von Nahrung, Normen usw. Dinge werden "als Ganzes" geschluckt, ohne angepasst (integriert) zu werden. Das können unzerkaute Lebensmittel ebenso sein wie unverstandene oder uneingesehene Normen. Das introjizierte "Ding" ist das "Introjekt". Eine Kontaktstörung ist das, weil der Mensch, der etwas introjiziert, das Introjekt so wenig wie möglich "berührt". Er tritt nicht in Kontakt mit ihm, sondern schluckt es schnell hinunter, um keinen Kontakt zu haben. Darum liegt ihm das Introjekt auch schwer im Magen, weil nämlich das Verdauen - der gestalttherapeutische Name dafür ist "Assimilation" (Anpassung) - selbst eine Kontaktfunktion ist.

2. Projektion. Einem anderen Menschen werden Dinge unterstellt, die man bei sich selbst ablehnt. Jemand ist wütend, aber hat z.B. die introjizierte Norm, dass man nicht wütend sein dürfe. Wohin mit der Wut? Der Wütende spürt sie ja! Da er sie aufgrund seiner Norm nicht haben darf, unterstellt er, dass der andere wütend sei - der vielleicht gar nicht wütend ist. Wem aber lange genug unterstellt wird, dass er wütend sei, wird am Ende wütend. Eine Kontaktstörung ist das, weil der Gegenüber nicht so wahrgenommen wird, wie er ist. Darum kann man mit ihm nicht wirklich in Kontakt treten.

3. Retroflektion. Jemand meint beispielsweise, auf jemand anderen wütend sein zu müssen. Seine Norm sagt ihm aber, dass Wut etwas Schlechtes sei. Er darf also nicht selbst wütend auf den anderen zugehen, weil er dann ja seine Norm verletzen würde. Wohin mit der Wut? Er richtet die Energie der Wut gegen sich selbst, denn keine Norm verbietet ihm, Wut gegen sich selbst zu richten. Das ist Retroflektion.

Wenn wir "retroflektieren", tun wir uns das an, was wir jemand anderem antun möchten. Ein Kontakt mit dem Gegenüber kommt auf diese Weise gar nicht mehr zustande, nicht einmal in den rudimentären Ansätzen der Introjektion und der Projektion. In anderen psychotherapeutischen Zusammenhängen wird die Retroflektion auch "Autoaggression" genannt.

4. Konfluenz bezeichnet fehlende Kontaktgrenzen gegenüber der Umwelt. Wer sich immer nach den Erwartungen anderer richtet, jeden Konflikt vermeidet, Harmonie und Nähe um jeden Preis herstellen will, ist "konfluent". Er grenzt sich nicht ab. Die Kontaktfunktion des Konfliktes fehlt. Die Konfluenz harmoniert besonders mit der Introjektion.

5. Deflektion. Jemand versucht, dem notwendigen Konflikt durch Ausweichen zu entgehen. Er wendet sich ab, schläft ein, "deflektiert". Es fehlt wie bei der Konfluenz die Kontaktfunktion des Konfliktes. Aber der Konflikt wird nicht durch "konfluente" Eingliederung in die Umwelt vermieden, sondern durch "deflektierenden" Rückzug aus der Umwelt.

Die in der Grafik gezeigte Zuordnung der Kontaktstörungen zur Gestaltwelle haben wir in der "Einladung zur Gestalttherapie" nicht weiter begründet. Darum hier ein paar Hinweise dazu:

- Deflektion: Abwendung. Man kann nur in den ersten vier Stadien deflektieren, denn im 5. Stadium (Assimilation) und 6. Stadium (Nachkontakt) der Gestaltwelle, ist der Kontakt dann schon vollzogen und es ist nicht mehr möglich, sich abzuwenden.

- Konfluenz: Keine Grenze zur Außenwelt. Konfluenz kann im 2. Stadium (Kontakt mit sich selbst) nicht stattfinden, weil in diesem Stadium die Außenwelt keine Rolle spielt; im 3. Stadium (Kontakt mit der Umwelt) findet sie nicht statt, weil es um die Auswahl und Bewertung der Umweltmaterialien geht, nicht um das eigene Verhältnis zu ihnen. Im 5. Stadium (Assimilation) und 6. Stadium (Nachkontakt) ist die Konfluenz ggf. schon vollzogen.

- Die Projektion kann nur im Stadium 3 (Kontakt mit der Umwelt) stattfinden. Denn sie setzt einerseits den Kontakt mit der Umwelt voraus, sonst könnte der Umwelt nichts unterstellt werden. Demnach kommen die ersten beiden Stadien (Vorkontakt und Kontakt mit sich selbst) nicht in Frage. - Andererseits setzt die Aggression (4. Stadium) voraus, dass eine Einschätzung der Umweltressourcen stattgefunden hat, also liegt die Projektion vor dem Stadium der Aggression. In der Assimilation

(5. Stadium) handelt es sich nicht mehr um die Umwelt, sondern um das, was zu Eigen gemacht worden ist, und der Nachkontakt nimmt eine Bewertung des Vorgangs, nicht der Ressourcen vor, sodass logisch keine Projektion möglich ist.

- Die Retroflektion kann erst im 4. Stadium (Aggression) stattfinden, weil sie eine auf sich selbst umlenkbare Bewegung voraussetzt, die erst in diesem Stadium einsetzt. - Sie hat im 5. Stadium (Assimilation) keine Bedeutung, weil es bei der Integration oder Verarbeitung von etwas sowieso immer um etwas geht, das "man sich selbst antut". - Das 6. Stadium (Nachkontakt) ist dasjenige, in welchem als Kontaktstörung nur noch Retroflektion stattfinden kann, weil es dort um die Bewertung der abgeschlossenen Handlung geht, die immer ein Auf-sich-selbst-Zurückziehen beinhaltet.

- Die Zuordnung der Introjektion zum 5. Stadium der Gestaltwelle (Assimilation) folgt zweifelsfrei aus den Defintionen der Assimilation und der Introjektion: Die Assimilation ist das "Verdauen" von Aufgenommenem, also von Nahrungsmitteln, Erlebnissen und Gedanken, Normen, Werten; als Introjektion wird ein Problem bei dieser Verarbeitung bezeichnet.

Im "Handbuch der Gestalttherapie" von Fuhr/Sreckovic/

Gremmler-Fuhr (Göttingen 2001, S. 657) nimmt Bertram Müller eine andere als diese Zuordnung der Kontaktstörungen vor, die sich zugegebenermaßen näher an den Ausführungen von Perls/Hefferline/Goodman orientiert. Dazu ein paar Worte nicht der Abgrenzung oder der Rechtfertigung, sondern der Klärung. Müller siedelt z.B. die Introjektion in der Phase der ansteigenden Erregung an, die er "Kontaktaufnahme" nennt und die unserem "Kontakt mit der Umwelt" entspricht. Dies kann abgeleitet werden aus einem Satz von Perls/Hefferline/Goodman: "Die Unterbrechung [des Kontaktes] kann während der Erregung eintreten; das Selbst introjiziert dann, es ersetzt einen eigenen möglichen Trieb oder Wunsch durch den eines anderen" (PHG, S. 252).

Wir schlagen eine Präzisierung der Argumentation vor, denn der zitierte Satz passt nicht zu der Definition der Introjektion als der Nichtzerkleinerung des Aufgenommenen. Was gemeint sein könnte, ist einige Seiten später kurz angedeutet (PHG, S. 263): "Introjektion. Etwas von der Umwelt ist im Organismus." Dieses "etwas" ist ein Introjekt, nämlich das, was im Organismus zurückbleibt, wenn das Aufgenommene nicht zerkleinert wurde. Die Nichtzerkleinerung kann m.E. definitorisch nur stattfinden, wenn etwas aufgenommen worden ist, nicht vorher. Allerdings treiben die Introjekte dann ihr Unwesen, vor allem durch Störung des Kontaktes. Insofern sind wir bei der Konstruktion des GTI davon ausgegangen, dass alle Kontaktprobleme auf Introjekten beruhen, d.h. auf einer zeitlich früheren Introjektion: Ein Problem entsteht, wenn an Stelle der der Situation angemessenen Selbstregulation unverdaute - also den Umständen und der Person nicht hinreichend angepasste - Normen, Regeln, Erfahrungen das Handeln prägen.

So könnte jemand, der die an sich praktische und den Gegenüber würdigende "Sekundärtugend" des Pünktlich kommens ohne Rücksicht auf die Umstände befolgt, auch dann strikt die Pünktlichkeit einhalten, wenn er von der Person, die er besucht, weiß, dass ihr eine leichte "Verspätung" willkommen ist. Umgekehrt könnte ein anderer Mensch sich dadurch das Leben schwer machen, dass er meint, sich gegen die von ihm als äußerlich und starr erlebte Pünktlichkeitsregel immer abgrenzen zu müssen, auch dann, wenn er eigentlich noch unbedingt den Zug erwischen möchte.

Die Beispiele verweisen auf die wichtige Einsicht, dass die Angemessenheit in zwei entgegengesetzte Richtungen verletzt werden kann. Wir sind sicher, dass alle Kontaktprobleme in einer solchen Polarität auftreten. Damit kommen wir zu dem Herzstück des GTI.

 

GTI - Arbeit mit Polaritäten

Bei der Entwicklung des GTI haben wir die eher verstreuten und bisher wenig systematisierten Bemerkungen von Gestalttherapeuten sehr ernst genommen, dass Kontakthemmungen nicht nur negativ zu bewerten sind, sondern mitunter (lebens-)notwendig sind (vgl. z.B. Erving und Miriam Polster, Gestalttherapie [1973], Wuppertal 2001). Dies geht ja eigentlich schon aus der These von Perls/Hefferline/Goodman hervor, dass eine selbstregulierte Priorisierung von Bedürfnissen stattfindet: Die Befriedigung des wichtigsten Bedürfnisses wird in Angriff genommen, und dazu müssen Tätigkeiten zur Befriedigung anderer, weniger wichtiger Bedürfnisse notgedrungen gehemmt werden.

Wenn dies richtig ist, dann ist nicht die Hemmung des Kontaktes an sich das Problem, sondern eine Übertreibung der Hemmung - zu viel, zu lange, zu oft oder an den falschen Stellen. Ist nun klar, dass es nur eine Übertreibung der Hemmung ist, die das Problem ausmacht, so muss auch unmittelbar einleuchten, dass es ein zu wenig an Hemmung geben kann. "Hemmungslosigkeit" kann genau so schwerwiegende Kontaktprobleme verursachen wie die Hemmung selbst. Beispiel: Wenn ich mich für das Ziel, die Sprache des Landes zu lernen, in das ich gerne in Urlaub fahren möchte, darin hemmen muss, mich abends müde vom Fernsehen berieseln zu lassen, wird beispielsweise diese Unfähigkeit zur Hemmung, zum Verzicht, die hemmungslose "Sorge für mich selbst" zu meinem Problem. Die Lösung kann sowohl darin liegen zu überprüfen, ob das Ziel wirklich meins ist, als auch, wie es kommt, dass es mir nicht gelingt, mich aufzuraffen und meinen inneren Schweinehund zu besiegen.

Für jede Kontakthemmung in jedem Stadium der Gestaltwelle gibt es im GTI ein Tätigkeitswort, das intuitiv und ohne gestalttherapeutische Fachkenntnis verstehbar beschreibt, was hier vor sich geht oder nicht. Dies sind zehn Tätigkeitsworte. Jedem dieser Tätigkeitsworte für die Kontakthemmungen steht auf der anderen Seite ein Pendant gegenüber, das die Hemmungslosigkeit beschreibt. Wenn die eine Seite eine übertriebene Hemmung, also ein zu wenig an Energie, bedeutet und die andere eine fehlende Hemmung, also ein zu viel an Energie, so befindet sich das für den Einzelnen angemessene Maß an Energie dazwischen: Auch diese Mittellinie der Gestaltwelle wird im GTI jeweils mit einem Tätigkeitswort gekennzeichnet. Mit ihnen werden in der Auswertung die Ressourcen (Stärken) bezeichnet.

 

Grafik 3:

 

Stadium 1: Vorkontakt

- konzentrieren: Eine Handlung beginnt damit, die eigene Unruhe wahrzunehmen bzw. Veränderungen in der Umwelt, die das eigene Handeln erfordern. Dabei müssen jedoch Störeinflüsse ignoriert werden, um sich darauf konzentrieren zu können, was nötig ist.

- selbstbestimmen: Als nächstes wird man das eigene Bedürfnis von der Umwelt abgrenzen, sich dabei aber sinnvoll an Gegebenheiten anpassen. Auf diese Weise wird die eigene Position selbstbestimmt eingenommen, also nicht durch die Umwelt geprägt (nämlich indirekt durch übertriebene Abgrenzung oder unkritische Anpassung).

 

Stadium 2: Kontakt mit dem eigenen Bedürfnis

- abwägen: Durch die Klarheit über das eigene Bedürfnis und die eigene Position wird es möglich, zu wissen, wessen man bedarf, aber auf die Befriedigung solcher Bedürfnisse zu verzichten, die hinderlich oder schädlich wären. Dies geschieht durch Abwägen.

 

Stadium 3: Kontakt mit der Umwelt

- auswählen: Der folgende Schritt besteht darin, sich offen zu halten für die Ressourcen, die die Umwelt zur Verfügung stellt, aber dichtzumachen gegenüber Überreizungen. Man wird also auswählen.

- einschätzen: Die ausgewählten Umweltressourcen werden realistisch eingeschätzt, also weder schöngefärbt, noch fühlt man sich durch sie angegriffen und braust (vorschnell) auf.

 

Stadium 4: Aggression

- realisieren: Die richtig eingeschätzten Ressourcen ermöglichen es dem Handelnden dann, das Ziel zu realisieren, ohne zu viel zu riskieren oder zu früh zu resignieren.

- verantworten: Bei der ("aggressiven") Realisierung des eigenen Ziels ist man für das eigene Handeln verantwortlich (also auch, indem man sich ggf. schuldig fühlt), aber lehnt es ab, für Dinge verantwortlich gemacht zu werden, die gar nicht im Ermessen der eigenen Handlung liegen - ohne dass dies zum Reinwaschen von der eigenen Verantwortung führt.

- ausgleichen: Nach Feststellung der eigenen Verantwortung kann man zwischen starrsinnigem Beharren und voreiligem Nachgeben den angemessenen Ausgleich finden.

 

Stadium 5: Assimilation

- verarbeiten: Nach der verantwortlichen und ausgeglichenen Realisierung des Ziels wird das Ergebnis verarbeitet, indem das Nahrhafte und Brauchbare vom nicht Nahrhaften und Unbrauchbaren getrennt wird. Das Nahrhafte wird mit allen seinen möglicherweise noch verbliebenen Problemen hingenommen, das Unbrauchbare abgelehnt und ausgeschieden.

 

Stadium 6: Nachkontakt

- wertschätzen: Zum Abschluss der Handlungssequenz wird das "Gute" gutgeheißen, ohne sich zu überschätzen, und das "Schlechte" schlechtgeheißen, ohne sich abzuwerten; vielmehr wird der wahre Wert ohne Groll wertgeschätzt.

 

Die grafische Darstellung macht deutlich, warum eine Hemmung in einem Bereich eine Hemmungslosigkeit in einem anderen Bereich nach sich zieht und umgekehrt: Die Mittellinie, auf der die Ressourcen ("Mittelbegriffe") stehen, kennzeichnet das dem entsprechenden Handlungsstadium angemessene Energieniveau des jeweiligen Menschen. Ein Verlassen des Energieniveaus an einer Stelle macht einen Ausgleich an einer anderen Stelle notwendig.

 

Prozessorientiertes Arbeiten:

Der GTI im Unterschied zu anderen Instrumenten

Es ist in vielen nicht von der Gestalttherapie beeinflussten Zusammenhängen üblich, im Coaching und in der Therapie ressourcenorientiert zu arbeiten: Die Stärken der KlientInnen sollen herausgestellt, an ihnen soll angeknüpft werden; Schwäche- und Problemunterstellungen werden daraufhin untersucht, wie sie sich in Stärken umdefinieren lassen. Dies hat sicherlich seine Berechtigung, ist aber oft gewissermaßen unecht und wirkt dann verkrampft. Denn die KlientInnen kommen aufgrund eines deutlichen Leidensdrucks. Wenn sie den nicht spürten, würden sie nicht gekommen sein! Es ist ihr berechtigtes Anliegen, genau an ihren Schwächen und Problemen zu arbeiten. Andererseits schafften Coaches und TherapeutInnen, die darum die Schwächen und Probleme des Klienten in den Vordergrund stellen, schnell ein Machtgefälle: "Ich weiß, was Ihnen fehlt, und ich sage es Ihnen." Das Hauptaugenmerk der GTI-Auswertung liegt bei den Problemen der KlientInnen, obwohl auch Ressourcen mit einfließen. Da diese Auswertung aber keine Interpretation der Coaches oder TherapeutInnen ist, können nun KlientInnen und Coaches/TherapeutInnen gemeinsam mit sehr viel weniger Machtgefälle sich "verschwören", um die Probleme zu bearbeiten.

Der GTI ist kein Persönlichkeitstest, der etwa auf bestimmte feststehende Charaktereigenschaften zielt. Es ist nicht beabsichtigt, mit dem GTI festzustellen, ob die KlientInnen treu, dominant, ehrlich, romantisch, introvertiert oder extrovertiert, draufgängerisch, hilfsbereit, sparsam oder verschwenderisch, egoistisch o.ä. "sind". Dies hat nämlich keine Bedeutung, solange aus dem "So-Sein" keine Probleme für die KlientInnen oder ihre Umwelt entspringen. - Die üblichen "Persönlichkeitstests" versuchen, ein "So-Sein" der KlientInnen festzustellen und das Coaching ist darauf angelegt, den KlientInnen zu raten, die "Nische" zu finden, in die er hineinpasst. Das GTI-Coaching fragt, wie die KlientInnen zu ihrem "So-Sein" kommen und was sie hindert, "anders zu sein", wenn es für sie erforderlich oder nützlich wäre. Das Ziel besteht darin, Verhaltensmuster zu ermitteln, mit denen sie sich selbst beschränken und die Selbstbeschränkungen so zu reduzieren bzw. mit ihnen so umzugehen, dass sie nicht mehr so schmerzliche Wachstumsbarrieren darstellen.

Neben dem GTI werden in der Personalentwicklung und im Coaching bereits eine Reihe von Instrumenten eingesetzt, die anderen als gestalttherapeutischen Grundhaltungen folgen. Der GTI ist das erste Instrument, das auf gestalttherapeutischen Überzeugungen basiert. Hier geben wir eine kurze Übersicht über andere Instrumente und schildern die Vorteile des GTI. Die Übersicht enthält gebräuchliche Instrumente, aber erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. (Doch enthält die folgende Diskussion mehr Instrumente als dokumentiert sind in: Martina Schimmel-Schloo u.a. [Hg.], Persönlichkeitsmodelle, Offenbach 2002.)

 

Analyse von Persönlichkeitsmerkmalen (Präferenzen)

Aus der Antike stammt die Vorstellung, die Menschen könnten vier Temperament-Typen zugeordnet werden: cholerisch, sanguinisch, phlegmatisch und melancholisch. C.G. Jung hat die antiken Typen auf Grundhaltungen ("Präferenzen") im Lebensstil, in der Wahrnehmung und Beurteilung zurückgeführt und diese Präferenzen als Polaritäten beschrieben, nämlich extravertiert versus introvertiert, intuitiv versus sensitiv und denkend versus fühlend.

Schon in den 1920er Jahren haben die Amerikanerinnen Katherine C. Briggs und Isabel Briggs-Myers aus der Typenlehre von C.G. Jung einen Test erdacht, den Myers-Briggs Type Indikator (MBTI®). Der MBTI® ist heute das wahrscheinlich am weitesten verbreitete und erforschte Persönlichkeitsinventar, an dem sich alle Neu- und Weiterentwicklungen messen lassen müssen.

In den 1960er Jahren entwickelte John G. Geier einen Test, der die Polaritäten auf zwei Achsen darstellt, sodass vier Grundtypen entstehen, denen er auch Farben zuordnete: dominant-rot (cholerisch), initiativ-gelb (sanguinisch), gewissenhaft-grün (phlegmatisch) und stetig-blau (melancholisch). Die Anfangsbuchstaben der Grundtypen geben dem Test seinen Namen: DISG®. Geier benutzte für DISG jedoch nicht die jung'schen Typen, sondern eine von William M. Marston modifizierte Version.

Die einprägsame Farbcodierung liegt auch den wieder stärker an C.G. Jung orientierten Produkten Insights MDI® und Insights Discovery® zugrunde. Diese - trotz der Namensähnlichkeit von verschiedenen Anbietern stammenden - Produkte zeichnen sich durch eine gut formulierte und visualisierte, von Klienten leicht zu verstehende Computerauswertung aus. Weitere, vergleichbare Produkte sind z.B. Alpha Plus®, Lifo®, TMS®, und ProfilesPI®. Mit einem anderen theoretischen Hintergrund, nämlich dem der Gehirnforschung, kommen zu ganz ähnlichen Darstellungen das Struktogramm® und der HDI®.

Allen diesen Tests ist gemeinsam, dass sie stabile Verhaltensmerkmale einer Person messen wollen. Die getestete Person ist z.B. rot, gelb, grün oder blau oder eine spezifische Mischung davon. Die verschiedenen Typen können lernen, die jeweils anderen Typen in ihren Präferenzen zu akzeptieren und als Ergänzung der eigenen Präferenzen zu schätzen. Auf diese Weise werden Konflikte reduziert, und die Zusammenarbeit verbessert sich. Außerdem können die getesteten Personen ihre Tätigkeiten den eigenen Präferenzen entsprechend gestalten bzw. ihre Stärken ausbauen und ihre Schwächen ausgleichen.

Die theoretische Frage lautet, ob es solche stabilen Verhaltenspräferenzen gibt, bzw. wie wichtig sie sind. Die praktische Frage lautet, ob die Fixierung auf stabile Verhaltenspräferenzen nicht gerade die Wachstums- und Veränderungsprozesse, die Coaching, Therapie und Beratung in Gang setzen sollen, behindert. Ist es nicht viel wichtiger, als eine Verhaltenspräferenz zu ermitteln, heraus zu bekommen, wie jemand sie benutzt, um sich damit selbst zu behindern? Ist es nicht besser, die eigene Handlungsfähigkeit auch in schwierigen Situationen zu verbessern, als sich darauf zu versteifen, man sei nun halt mal so, wie man eben sei? Das sind die Überlegungen, die zur Schaffung des GTI geführt haben.

Allerdings ist der GTI nicht geeignet für die Personalauswahl oder die Teamzusammenstellung. Die genannten Instrumente haben jeweils Module, die für diesen Einsatzzweck konzipiert wurden.

 

Instrumente auf Basis empirischer Psychologie

Die Präferenzanalysen legen psychologische Modelle zugrunde, die empirisch gar nicht zu beweisen sind, weil sie die Empirie strukturieren. (Beispielsweise ordnet der DISG-Test die Testteilnehmer zwingend dem rot-gelb-grün-blauem Schema zu. Es kann nicht herauskommen, dass es etwa noch einen weiteren Typus gibt, weil alle Äußerungen dem Schema zugeordnet sind. Eine empirische Untersuchung, die z.B. vereinfachend davon ausgehen würde, alle Menschen würden nach Geld streben, könnte das Ergebnis haben, dass es andere Motivationen (Liebe, Sicherheit, Geborgenheit usw.) gibt. Allerdings ist es interessanter, mit einem Test festzustellen "Aha, ich bin ein ›Grüner‹, darum verhalte ich mich so-und-so, was mir bisher unerklärlich war" als "Ja, ja, mir ist Sicherheit wichtiger als Geld, das habe ich schon immer gesagt.")

Instrumente, die weniger an Modellen orientiert sind, sondern auf der empirischen Psychologie basieren (wie z.B. Interplace®, RP®, DNLA®, The Profile®, Eligo®), setzen am Rollenverständnis, an der Kompetenzzuschreibung oder an der selbst formulierten Motivation der Testteilnehmer an.

Die Stärke dieser empirischen Ansätze ist es sicherlich, die Ergebnisse nicht so sehr von einem theoretischen Modell her vorzuprägen (obwohl auch sie natürlich nie ganz ohne Modell auskommen, auch wenn das nicht immer eingestanden wird). Allerdings wird damit das Ergebnis auch weniger aussagekräftig, denn es stellt eigentlich nur die gebündelte und kategorisierte Form der Selbstaussage des Testteilnehmers dar. Das Ergebnis unterstützt den Wachstumsprozess kaum, weil es keine überraschenden Einsichten oder verborgenen Zusammenhänge zu Tage fördert.

Die Instrumente auf Basis empirischer Psychologie werden häufig bei der Personalrekrutierung eingesetzt, weil sich durch ihre Hilfe besonders leicht Anforderungs- und Bewerberprofil miteinander vergleichen lassen.

 

Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse erfreut sich einer großen Beliebtheit im Kontext berufsbezogener Prozesse, weil es mit ihr gelingt, sehr schnell Kommunikationsstörungen zu "reparieren". Allerdings besteht die Gefahr, sie wie NLP (Neurolinguistisches Programmieren) als eine "Trickkiste" zu benutzen, mit der man eine strategische Gesprächsführung in manipulativer Absicht gestalten kann.

Ähnlich wie in der Gestalttherapie sind bisher nur wenige formalisierte transaktionsanalytische Instrumente entstanden. (Ein Beispiel ist das "Konfliktogramm" zur Mediation von Chef-Mitarbeiter-Problemen: Stefan Blankertz, Wenn der Chef das Problem ist, Essen 1999.) Die Theorie der Gestalttherapie ist als Referenz für den GTI gewählt worden, weil sie das umfassendere Modell darstellt und eine Haltung vermittelt, die unvergleichlich unterstützend wirkt.

Zu einer möglichen Verwendung transaktionsanalytischer Elemente im Rahmen der gestalttherapeutischen Haltung vgl. Stefan Blankertz, Besser klarkommen, Essen 2000.

 

Systemischer Ansatz

Der systemische Ansatz ist im Vergleich zu den anderen im beruflichen Kontext relativ jung. Eine Einführung bieten Klaus-Peter Horn und Regine Brick, Das verborgene Netzwerk der Macht: Systemische Aufstellungen in Unternehmen und Organisationen, Offenbach 2001. Das entsprechende Instrument ist natürlich kein Test, sondern die "Aufstellungsarbeit".

Aus gestalttherapeutischer Sicht stellen die Grundsätze eines "harmonischen" Systems der Familie oder einer Firma - in dem genannten Buch lauten sie (S. 34): "Was ist, muss sein dürfen: Würdigung", "Ausgleich von Geben und Nehmen", "Recht auf Zugehörigkeit", "Vorrang des Früheren vor dem Späteren", "Vorrang des höheren Einsatzes für das Ganze", "Kompetenzvorrang" - das Problem des systemischen Ansatzes dar. Denn selbstredend können diese Grundsätze zu geradezu bösartigen Introjekten werden genau wie alle anderen moralischen Sollensregeln auch.

Wenn es sich bei den erwähnten Grundsätzen tatsächlich um die objektiven Regeln eines jeden gesunden Zusammenlebens und -arbeitens handeln sollte, werden sie sich selbstreguliert im guten Kontakt ergeben. Der GTI unterstützt die Klienten darin, ihren Kontakt zu verbessern. Das hat Vorrang vor der Verwirklichung von Grundsätzen, seien diese so hilfreich oder grundlegend wie sie wollen, denn in einer prozessorientierten Arbeit kommt es auf die Qualität von "Verwirklichen" mehr an als auf die Grundsätze selbst.

 

Lernen Sie den GTI kennen

In dieser Ausgabe der "Gestaltkritik" bieten wir Ihnen die einmalige Möglichkeit, den GTI kostengünstig für 29,90 Euro kennen zu lernen.

Sie füllen dazu den GTI-Fragebogen (PDF-Datei) aus und senden ihn an die Edition GIK-Buchproduktion (Rurstr. 9, 50937 Köln).

Sie erhalten Ihre Auswertung und ein umfangreiches Booklet (ca. 50 Seiten) mit einer genauen Erklärung.

Ein Papierversion des GTI-Testheftes können Sie gerne auch bei uns anfordern: gik-gestalttherapie@gmx.de

 

Wenn wir Sie überzeugt haben und Sie den GTI für Ihre Arbeit einsetzen möchten, gibt es zwei Möglichkeiten:

 

Möglichkeit I:

Gestalttherapeutische Diagnose
Mit dem neuen Diagnose-Instrument "Gestalttypen Indikator" (GTI)

Praxisworkshop für BeraterInnen und TherapeutInnen

Trainer:

Stefan Blankertz, Sozialwissenschaftler und Coach

Erhard Doubrawa, Gestalttherapeut und Gestaltlehrtrainer

Umfang: 4 Trainingstage

Beginn: 4. - 7. 3. 2004

Bitte fordern Sie weiteres Infomaterial an: gik-gestalttherapie@gmx.de

 

Möglichkeit II:

Weiterbildung
Coaching nach dem Ansatz des Gestalt-Instituts Köln

Trainer

Hans-Peter Arnold, Wirtschaftsprüfer, Organisationsberater und Coach.

Stefan Blankertz, Sozialwissenschaftler und Coach

Erhard Doubrawa, Gestalttherapeut und Gestaltlehrtrainer

Umfang: 20 Trainingstage

Beginn: 2. Quartal 2004

Bitte fordern Sie weiteres Infomaterial an: gik-gestalttherapie@gmx.de

 

 

Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

Foto: Stefan BlankertzStefan Blankertz (Foto: Hagen Willsch)

Dr. Stefan Blankertz

Sozialwissenschaftler, Coach und Schriftsteller, beschäftigt sich seit seiner Jugend mit Paul Goodman und seinem theoretischen Beitrag zur Gestalttherapie.

Zusammen mit seiner Frau Isabell leitet er die »Pro Change PersonalentwicklungsGmbH« in Pulheim bei Köln. Aus dieser Tätigkeit entstand u.a. folgendes Buch: »Wenn der Chef das Problem ist. Leitfaden zur Lösungsfindung« (Klartext Verlag 1999).

Von 1993 an betreut Blankertz die Theorieeinheit in der Gestaltweiterbildung nach dem Kölner Modell am Gestalt-Institut Köln/GIK Bildungswerkstatt. Als Lesehilfe für das berühmt-berüchtige Werk von Perls, Hefferline und Goodman "Gestalttherapie" (1951, dt. München 1991) ist aus der Weiterbildung heraus entstanden und in der Edition des GIK im Peter Hammer Verlag erschienen:

"Gestalt begreifen: Ein Arbeitsbuch zur Theorie der Gestalttherapie" (3. Auflage, Wuppertal 2003). Hilarion Petzold nannte dies Buch in einer Besprechung 2001 einen "der wichtigsten Texte aus neuerer Zeit für die Gestalttherapie und die Gestaltszene".

Zusammen mit Erhard Doubrawa veröffentlichte Blankertz die "Einladung zur Gestalttherapie: Eine Einführung mit Beispielen" (3. Auflage, Wuppertal 2002).

Seit gut zwei Jahren forscht Blankertz mit Unterstützung von Erhard Doubrawa an dem hier erstmals öffentlich vorgestellten Gestalttypen-Indikator (GTI), um Coaching-Erfahrung und gestalttherapeutische Haltung zu integrieren.

Wenn Sie gleich zu dieser Seite gekommen sind, ohne bisher unsere Homepage besucht zu haben, so sind sie herzlich dazu eingeladen:
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GIK Gestalttherapie Institut Köln
GIK Gestalttherapie Institut Kassel
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Unsere Veranstaltungen finden in Köln und Kassel statt.
Die Teilnehmer*innenbetreuung erfolgt durch unser GIK Büro Kassel.

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Hunrodstr. 11
34131 Kassel (Bad Wilhelmshöhe)

Kostenlose Servicetelefonnummer:
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eMail: gik-gestalttherapie@gmx.de

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