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James S. Simkin
Solange der Therapeut weiß, was er tut
Interview mit einem der ersten Gestalttherapeuten


Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

Gestaltkritk verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

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 Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus der Gestaltkritik (Heft 2-2003):

James S. Simkin
Solange der Therapeut weiß, was er tut
Interview mit einem der ersten Gestalttherapeuten

 

Foto: James S. Simkin(c) Robert Resnick, 1984

Robert (Bob) L. Harman: Ich würde mich gerne mit dir über ein paar theoretische Fragen unterhalten. Was mich dabei besonders interessiert, ist der Kontakt. Ich habe Perls, Hefferline und Goodman gelesen, die Kontakt als Konzentration auf das Neue definieren, auf das, was die Umwelt an Assimilierbarem bereitstellt, während alles, was nicht assimilierbar ist, abgewehrt wird.

James (Jim) S. Simkin: Zunächst einmal ist es genau das. In Kontakt sein heißt: wahrnehmen, was packend, neu und interessant ist. Aber zu der Definition gehört noch mehr. Du mußt wissen, wo dieses Neue zu finden ist, nämlich an der Kontaktgrenze, also da, wo wir zwischen "Ich" und "Nicht-Ich" unterscheiden. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Kontakt ist, daß er immer sensorisch ist; das bedeutet, daß ein sinnliches Gewahrsein mit im Spiel ist. Das Gewahrsein ist weder kognitiv noch affektiv.

Bob: Wie paßt der motorische Aspekt da hinein?

Jim: Ich müßte sagen "senso-motorisch".

Bob: Das heißt also das Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken und die Bewegung.

Jim: Genau.

Bob: Wie paßt das Gewahrsein da hinein?

Jim: Gewahrsein ist die Modalität, in der jemand weiß, daß Kontakt stattfindet. Gewahrsein und Kontakt sind nicht dasselbe. Gewahrsein ist eine Art zu wissen, und deshalb ist es mehr als Kontakt. Gewahrsein ist auch nicht gleichbedeutend mit Denken oder Fühlen, sondern ist mehr als das eine und als das andere. Gewahrsein ist Fokussierung, und Fokussierung ist ein Aspekt von Kontakt.

Bob: Manchmal kommt es vor, daß ich völlig in einer Sache aufgehe, zum Beispiel, wenn ich Therapie mache, Brot backe oder Musik höre. Dann bin ich so darin vertieft, daß alles andere aus meinem Gewahrsein verschwindet und in den Hintergrund tritt. Auch daß ich so absorbiert bin, ist mir dann nicht gewahr. Würdest du das als Kontakt bezeichnen?

Jim: Was du beschreibst, ist eine Konfluenz mit dem, was du tust, die so weit geht, daß du deine Kontaktfunktion verloren hast. Du beobachtest dich nicht mehr, sondern bist zu einem Teil deiner eigenen Handlung geworden - konfluent mit ihr. Du bist "eins" mit deiner Handlung und hast die Kontaktgrenze verloren. Deshalb ist es auch kein Kontakt - du bist wie "eins" mit deiner Handlung. Das ist so ähnlich wie bei einer guten sexuellen Begegnung, wo du ebenfalls mit deinem Partner oder deiner Partnerin "vereinigt" bist. Der Punkt, an dem guter Kontakt verlorengeht, ist also dann erreicht, wenn du nicht mehr in der Lage bist, genügend Abstand zu halten, um beobachten zu können, oder, wenn du nicht mehr in der Lage bist, das "Kontakt-Rückzug-Spiel" zu spielen. Bei der Konfluenz geht das Gewahrsein verloren, weil du mit dem Kontaktgegenstand bzw. der Handlung eins wirst. Wenn die Mitglieder einer Basketballmannschaft so reibungslos zusammenspielen, daß sich der einzelne seiner Bewegungen nicht mehr gewahr ist, dann ist das Team konfluent. In einer solchen, einer Art automatischer Beziehung, wirst du zu einem Teil des Teams. Wenn du konfluent bist, dann bist du nicht mehr in Kontakt mit etwas, sondern befindest dich in einem automatisierten, gewohnheitsmäßig ablaufenden größeren Zusammenhang. Das heißt, daß ein Außenstehender nicht mehr dich sieht, sondern die ganze Einheit: ein Paar, das sich liebt oder ein Basketballteam.

Bob: Demnach beinhaltet Kontakt das Risiko, sich in einer konfluenten Beziehung zu verlieren.

Jim: Ja. Und in bestimmten Situationen ist Konfluenz eine bessere Unterstützung als Kontakt das sein würde. Bei anderen wiederum ist es genau umgekehrt, zum Beispiel in der Therapie. Was die Therapie voranbringt, ist in der Regel Kontakt. Manchmal jedoch bist du so sehr in die Arbeit mit deinem Klienten vertieft, daß du die Perspektive verlierst und konfluent wirst. Das ist nicht unbedingt schlimm. Problematisch wird es dann, wenn dieser Zustand sehr lange anhält, oder wenn weder der Therapeut noch der Klient darauf achtet. Es kann sogar sein, daß es völlig in Ordnung ist, wenn keiner von beiden darauf achtet; wenn das allerdings über längere Zeit so geht, widerspricht das dem therapeutischen Auftrag. In einer konfluenten Beziehung ist Wachstum nicht möglich.

Bob: Ist es überhaupt möglich, Kontakt mit etwas anderem als einer anderen Person zu haben, beispielsweise mit sich selbst?

Jim: Ja, wenn ich mich in mich selbst zurückziehe und mir dabei gewahr bleibe, oder wenn ich auf dich zurückgezogen wirke, es aber nicht bin. Ich habe mich aus dem zwischenmenschlichen Bereich zurückgezogen und bin in Kontakt mit meinem Innern. Ich unterscheide zwei verschiedene Arten von Kontakt. Das eine ist der Kontakt mit einem anderen Menschen oder auch mit der Umwelt. Das andere ist der innerseelische Kontakt, und wenn ich mit mir selbst in Kontakt bin, dann verliere ich darüber nicht das Gewahrsein, daß das so ist. Manchmal geraten wir in einen Trott und werden uns erst im nachhinein dessen gewahr, was eigentlich passiert ist. In diesem Fall gibt es keinen Kontakt, sondern Rückzug.

Bob: Ist das, worüber du jetzt sprichst, dasselbe, was Fritz Perls mit den drei Ebenen des Gewahrseins meinte: die mittlere Zone und die anderen Ebenen?

Jim: Was die Theorie der verschiedenen Ebenen oder Zonen betrifft, bin ich mir nicht ganz im klaren. Ich halte das, was ich eben gesagt habe, für ökonomischer als die Sache mit den Zonen. Vielleicht meint es dasselbe und ist nur anders ausgedrückt.

Bob: Ich würde gerne zu einem anderen Thema kommen. Es gibt Beobachter bzw. Kritiker der Gestalttherapie in Gruppen, die behaupten, wir machen keine Gruppentherapie, sondern Einzeltherapie im Beisein anderer. Das trifft vielleicht auch manchmal zu. Was ich bei dir beobachtet habe, ist, daß diejenigen, die etwas zu sagen haben, das auch tun. Meistens scheinst du dich da herauszuhalten. Gibt es irgendwelche Richtlinien oder Regeln, an denen du dich dabei orientierst?

Jim: Meinst du die Interaktion in der Gruppe?

Bob: Ja, und deine Haltung dazu, also wie du mit dieser Interaktion arbeitest, ob du sie förderst oder eher bremst.

Jim: Wenn jemand in der Gruppe auf jemand anderen zugeht, ziehe ich mich normalerweise zurück und halte mich bereit. Ich bin dabei, aber nicht beteiligt. Manchmal unterstütze ich ein wenig, wenn ich glaube, daß es um etwas Unerledigtes geht und einer von beiden offensichtlich etwas vermeidet. Wenn ich zum Beispiel denke, daß jemand den Therapeuten spielt oder einem anderen etwas aufdrücken will, greife ich ein; oder wenn das, was passiert, mich entweder ärgert oder ich es für den therapeutischen Prozeß entgegenwirkend halte, so daß es zu keinem guten therapeutischen Ergebnis führt. Wenn das, was sich zwischen den Teilnehmern abspielt, mir authentisch und engagiert erscheint, dann werde ich selbst zum Hintergrund und lasse dieses andere im Vordergrund wirken. Ich muß nicht dauernd auf der Bühne stehen; ich komme dann auf die Bühne, wenn ich finde, daß etwas fehlt oder wenn jemand seinen persönlichen Müll bei einem anderen Teilnehmer ablädt (projiziert). Cindy Sheldon zum Beispiel arbeitet ganz anders. Sie ist viel mehr an dem Austausch in der Gruppe interessiert und unterstützt ihn dementsprechend stärker. Auch Erv Polster greift mehr auf die Gruppe zurück. Ich arbeite lieber so, daß innerhalb der Gruppe direkte Interaktionen zwischen den Teilnehmern stattfinden können. Wenn es also dazu kommt, dann sehe ich das als Auswirkung meines Stils - und andere Therapeuten arbeiten anders.

Bob: Du sagtest vorhin, wenn jemand "den Therapeuten spielt", intervenierst du. Was meinst du damit?

Jim: Es kommt vor, daß jemand in der Gruppe Ideen oder Vorschläge einbringt, oder wie letzte Woche, während du als Klient arbeitetest, als sich jemand auf den leeren Stuhl setzte. Du empfandest das als Störung und jagtest ihn wieder weg. Wenn jemand auf sich selbst aufpaßt oder sich dagegen wehrt, daß ein anderer den Therapeuten spielt, halte ich mich da raus. Wenn ich aber sehe, daß jemand den Therapeuten spielt oder sich einem anderen aufdrängt, oder das womöglich auch noch tut, um seine eigene Arbeit zu vermeiden, dann greife ich ein.

Bob: Manchmal kommt es vor, daß die Teilnehmer nach einer Arbeit ein Feedback geben wollen oder versuchen, demjenigen, der gearbeitet hat, etwas Nettes zu sagen oder etwas, das ihn eigentlich von seiner Erfahrung ablenkt. Wie gehst du damit um?

Jim: Normalerweise lasse ich das erst einmal zu. Dann unterbreche ich und sage "Was machst du da eigentlich?" oder "Was möchtest du?", das heißt, ich fordere denjenigen auf, sich seines eigenen Prozesses gewahr zu werden. Ich könnte zum Beispiel sagen "Ich habe darauf geachtet, was du machst. Und mir wird unwohl, wenn ich dich sagen höre, daß schon alles in Ordnung kommen wird." Ich sage also etwas darüber, wo ich gerade bin. Wenn ich die Leute bitte, sich ihres eigenen Prozesses gewahr zu werden, dann eröffne ich damit eine weitere Begegnung oder Arbeit. Wie ich das tue, hängt davon ab, ob ich solche Bemerkungen schon einmal gemacht habe, oder ob ich schon einmal mit dieser Gruppe gearbeitet habe. Denn dann hat der andere einen besseren Hintergrund, um seine Situation zu verstehen und ist in der Lage, sich dem zuzuwenden, was in seinem eigenen Prozeß im Vordergrund steht. Wenn ich das mehrmals getan habe, dann kann ich auch sagen, wo ich gerade bin und den anderen auffordern, sich seines eigenen Verhaltens gewahr zu werden und sich mit seinem eigenen Prozeß und seinem eigenen Anliegen zu zeigen.

Bob: Ich habe beobachtet, daß manche Gestalttherapeuten sich vor allem für die einzelnen Gruppenteilnehmer interessieren, nicht aber für die Gruppe als solche. Andere dagegen konzentrieren sich stärker auf den Gruppenprozeß.

Jim: Die Polsters gestalten ihre Gestalttherapie-Ausbildung so, daß sie die zur Verfügung stehende Zeit in drei Segmente aufteilen. Etwa ein Drittel der Zeit widmen sie der Gruppendynamik, d.h. sie wenden sich ganz dem Gruppenprozeß zu. Ein weiteres Drittel steht für didaktische Zwecke, Vorträge und theoretische Überlegungen zur Verfügung, also zum Beispiel die Frage, wie Existentialismus und Gestalttherapie zusammenhängen. Im letzten Drittel schließlich werden Triaden gebildet: einer ist der Therapeut, ein anderer der Klient, und der dritte supervidiert. Erv und Miriam gehen reihum und besuchen jede Dreiergruppe und geben Feedback oder andere Hinweise. Sie scheinen sich mehr am Gruppenprozeß zu orientieren als ich das tue. Sie beziehen die Gesamtgruppe stärker mit ein.

Bob: Ich würde gerne noch einen anderen Punkt ansprechen. Ich denke an den einfach strukturierten Klienten, der nichts über Psychotherapie weiß, und schon gar nicht über Gestalttherapie. Nehmen wir als Beispiel einen Studenten, der aus einer ländlichen Gegend stammt. Tust du irgend etwas, um einen solchen Klienten auf deine Arbeitsweise "einzustimmen" oder darauf, was es bedeutet, Klient zu sein?

Jim: Wenn ich mit jemandem arbeite, der die Regeln nicht kennt, tue ich gerne etwas, das ich auch in der Arbeit mit Gruppen immer gemacht habe, nämlich zu Beginn 20 bis 30 Minuten Orientierung zu geben. Angenommen ich nehme in meiner Praxis oder meinem Institut neue Klienten auf und lade die Interessenten einzeln oder als Gruppe zu einer Orientierungssitzung ein. Dann würde ich diesen Leuten erzählen, worauf sie sich einlassen und daß es in der Gestalttherapie bestimmte Regeln und Vorgehensweisen gibt. Und dann würde ich diese Regeln mit jemandem, der dazu bereit ist, praktisch demonstrieren, damit sie erfahrbar werden. Sollte es mehr Bedarf an theoretischen Erläuterungen geben, kann man den Leuten etwas Schriftliches geben, den Aufsatz von Levitzky zum Beispiel, oder man schreibt selbst etwas Passendes. Man könnte auch eine Arbeit auf Video aufnehmen, damit die Interessenten ein Gespür dafür entwickeln können, worum es geht. An der Bradley University habe ich einen solchen Film gemacht. Am Anfang erzähle ich ein bißchen über die Therapievereinbarung (den Kontrakt). Während der Sitzung wird der Kontrakt dann erläutert und konkretisiert, also was ich tue, wozu ich bereit bin usw. Wenn Leute ganz unerfahren sind, erkläre ich ihnen auch, warum ich das "Warum-darum-Spiel" ablehne, und das kann durchaus auf humorvolle Weise geschehen. In diesem Sinne halte ich Orientierung für hilfreich, und das in der Gruppe zu machen, ist vielleicht etwas ökonomischer.

Wenn ich mit jemandem, der noch keine Erfahrungen mit Gestalttherapie gemacht hat, einzeln arbeite, dann gestalte ich die Orientierung sehr individuell. In diesem Fall verzichte ich auf Filme, Artikel und solche Dinge und arbeite nur mit der aktuellen Situation. Ab und zu erläutere ich, was ich gerade getan habe, so daß der Klient nicht in der Luft hängt. Auf diese Weise merkt der Klient, daß ich weiß, was ich tue, und daß ich zumindest am Anfang bereit bin, ihn an diesem Wissen teilhaben zu lassen.

Bob: Wenn du also anfängst mit jemandem zu arbeiten und sich im Laufe der Orientierungssitzung Themen andeuten, greifst du sie in dieser Situation auf, so daß beim anderen ein erfahrungsorientiertes Lernen möglich wird.

Jim: Genau. Vielleicht sage ich so etwas wie: "Jetzt habe ich den Eindruck, daß all die Fragen, die du mir stellst, eine Art von Vermeidung sind." Ich teile mich dem anderen lieber mit, als mich zurückzuhalten. Denn dann weiß der andere, daß ich mich mitteile. Ich zeige dem Klienten, daß ich jedesmal, wenn er zur Therapie kommt, davon ausgehe, daß er bereit ist, mich in seine Privatsphäre eindringen zu lassen. Denn meine Frage kann durchaus ein Eindringen in seine Privatsphäre darstellen, zum Beispiel wenn ich ihn auffordere, auf seinen Prozeß zu achten und sich etwas gewahr zu werden. Ich sage dem Klienten auch: "Du hast dieselben Rechte und Privilegien wie ich. Wenn du wissen möchtest, wo ich gerade bin, dann frag mich." Ich sage ihm auch: "Wenn du nicht willst, daß ich in deine Privatsphäre eindringe, dann sag mir Bescheid, und ich werde das respektieren." All das sage ich jedem, der neu zur Therapie kommt - und zu Beginn jedes Workshops.

Bob: Ich denke an den Workshop letzte Woche, wo wir jeden Abend mit sieben oder acht Teilnehmern in der Gruppe waren. Ich hatte den Eindruck, daß zwei oder drei von uns einen Großteil der Arbeit in der Gruppe gemacht haben.

Jim: Das stimmt. Die Gruppe kann auch ein Ort sein, um sich zu verstecken. Wenn jemand in den Einzelsitzungen an schwierige Themen herankommt, kann es sein, daß er sich in der Gruppe zurückzieht oder eine tiefere Arbeit vermeidet. Andererseits, wenn jemand eine leichte Einzelsitzung hatte, arbeitet er in der Gruppe vielleicht um so härter. Und wenn jemand sehr ängstlich ist und das zu seiner Charakterstruktur gehört, dann dränge ich ihn nicht, in der Gruppe zu arbeiten.

Bob: Wenn jemand in die Gruppe kommt und überhaupt nichts tut, sprichst du ihn darauf an? In meinen eigenen Gruppen frage ich dann manchmal zum Beispiel: "Bekommst du das, was du möchtest?" Ich fordere niemanden auf, etwas zu tun.

Jim: Ich glaube nicht, daß du niemanden aufforderst, etwas zu tun. Ich glaube, wenn du das sagst, machst du dir selbst etwas vor. Wenn du jemandem in der Gruppe diese Frage stellst, "forderst du ihn bereits auf"; stellst du dieselbe Frage in einem privaten Zusammenhang, dann bist du einfach neugierig - ohne damit irgendeinen Druck auszuüben. In der Gruppe kann diese Frage jedoch als Druck oder - noch schlimmer - als emotionale Erpressung erscheinen. Die Frage ist dann nicht, warum jemand kommt, sondern warum er sich nicht beteiligt. Deshalb habe ich es mir zur Regel gemacht, Klienten niemals nur in der Gruppe, sondern immer auch in Einzelsitzungen zu sehen. Das muß nicht jede Woche sein; einmal im Monat oder alle sechs Wochen kann ausreichen. Ich möchte einfach Zeit haben, ohne den Druck, der durch mich und die Gruppe entsteht, mit den Teilnehmern reden zu können. Als ich in meiner privaten Praxis gearbeitet habe, kamen manchmal Leute und sagten: "Ich hätte gerne eine Einzelstunde mit dir, aber du bist immer so ausgebucht." Also hielt ich die Stunde vor der Gruppensitzung frei, kündigte der Gruppe an, daß ich in der nächsten Woche eine Stunde Zeit hätte und fragte, wer diese Stunde nutzen wolle. Auf diese Weise konnten sich die Teilnehmer darauf einrichten. Wenn es mehrere Interessenten gab, konnten sie sich die Stunde teilen oder eine andere Lösung finden; und wenn niemand wollte, hatte ich eine Stunde frei.

Bob: Wie stehst du zu der Frage: "Wo bist du gerade?", anstatt "Warum beteiligst du dich nicht?"

Jim: Sowas mache ich; mit dieser Art zu fragen komme ich gut klar - eine Bemerkung darüber, daß ich interessiert bin und daß ich bemerkt habe, daß jemand nicht viel gesagt hat. Das mache ich zum Beispiel im Rahmen von systematischen Runden, so daß derjenige, den ich anspreche, sich nicht exponiert zu fühlen braucht. Ich möchte zumindest einmal im Laufe einer Gruppensitzung hören, wo die Teilnehmer sind, eine kurze Beschreibung, womit sie beschäftigt sind.

Bob: Wenn ich in einer Gruppe Runden mache, werde ich manchmal neugierig auf das, was jemand sagt oder tut, und dann sage ich zum Beispiel: "Mich interessiert das, was du sagst/tust; daran könnten wir arbeiten." Was hältst du davon?

Jim: Das finde ich gut. Ich würde hinzufügen: "Ich weiß, daß wir keine Vereinbarung darüber getroffen haben, zu arbeiten, und ich bin neugierig, ob du noch mehr darüber sagen willst." Das gibt den Teilnehmern eine echte Wahlmöglichkeit, und nicht nur einen Aufhänger (einen "Angelhaken"). Es kommt darauf an, wie du das machst; davon hängt ab, ob du sie "angelst", verführst, sie unter Druck setzt oder ihnen eine Wahlmöglichkeit anbietest. Ich habe keine grundsätzlichen Einwände dagegen, einen Teilnehmer zu "angeln" oder zu verführen, solange der Therapeut sich dessen bewußt ist, was er tut. Meine grundsätzliche Regel lautet, daß ich dagegen bin, einen Teilnehmer zu "angeln", wenn ich ihm nicht deutlich mache, was ich gerade tue.

Bob: Manche Gestalttherapeuten bieten den Teilnehmern einer neuen Gruppe zu Beginn Übungen an, zumindest dann, wenn noch niemand arbeiten will. Nach der Übung kann der Therapeut die Teilnehmer dann fragen, was sie wahrgenommen oder welche Erfahrungen sie gemacht haben. Das macht es den Teilnehmern leichter, sich daran zu gewöhnen, vor anderen zu sprechen, ihr Gewahrsein mitzuteilen und manchmal auch etwas zu entdecken, woran sie arbeiten können.

Jim: Ich denke, für eine neue Gruppe kann das sehr hilfreich sein. Ich möchte ihnen die Sicherheit geben, daß ich auch zur Verfügung stehe, wenn jemand arbeiten will. Wenn niemand ein Anliegen hat, bringe ich meistens selbst etwas ein; ich will nicht nur dasitzen und abwarten. Das betrifft allerdings eher neue Gruppen, und nicht solche, in denen die Teilnehmer schon mit mir gearbeitet oder an einer meiner Trainingsgruppen teilgenommen haben.

Bob: Jetzt kommt eine Frage, die ich dir innerhalb von zwei Jahren schon zum dritten Mal stelle. Ich frage mich, ob ich die Antwort abblocke oder immer wieder vergesse, deshalb werde ich deine Antwort diesmal aufnehmen! Während des ersten Monats in meiner Ausbildungsgruppe hast du die Teilnehmer nach einer Arbeit eingeladen, ein Feedback zu geben. Ich kann mich nicht erinnern, jemals miterlebt zu haben, daß du das in einer Therapiegruppe getan hättest. Wie begründest du das?

Jim: Der Sinn des Feedbacks besteht darin, die Arbeit in einen konzeptionellen oder theoretischen Zusammenhang zu stellen und den angehenden Therapeuten zu zeigen, wie die Dinge zusammenpassen. Außerdem möchte ich, daß vor allem Therapeuten sich daran gewöhnen mitzuteilen, wo sie gerade sind. Viele Therapeuten verstecken sich hinter ihren Fragen oder machen kritische Anmerkungen, anstatt zu sagen oder zu zeigen, was sie selbst erleben. Das Feedback hat zwei Funktionen: erstens, den Gruppenteilnehmern und Therapeuten deutlich zu machen, wie die erfahrungsorientierte Arbeit mit dem theoretischen Hintergrund zusammenpaßt; zweitens, die Therapeuten zu ermutigen, mitzuteilen, wo sie selbst sind und was sie erleben. Ich ermutige die Therapeuten nicht, sich ein klinisches Bild zu machen, sondern versuche, im Gegenteil, sie davon abzubringen.

In einer Therapiegruppe bin ich anders. Ein Problem besteht darin, daß jemand eine "Nummer" aus der Transaktions-Analyse abzieht und sagt "Jetzt verstehe ich" - und das dann ein Introjekt wird. Wenn Klienten etwas erfahren und diese Erfahrung freiwillig mitteilen, ist das in Ordnung. Aber in einer Therapiegruppe gebe ich keine Erläuterungen zum theoretischen Konstrukt. In der Therapiegruppe teile ich mit, wo ich bin, aber ich spreche nur sehr selten über Theorie. Meine Theorie unterstützt mich, und ich will mich nicht dahinter verstecken - auch nicht in einer Therapiegruppe. Ich bin skeptisch gegenüber Gestalttherapeuten, die nur nach ihrem "Gefühl" gehen, danach, ob sich etwas richtig anfühlt, oder die sagen: "Ich weiß nicht, warum ich das getan habe; ich habe es einfach getan." Ich bin skeptisch gegenüber Gestalttherapeuten, die ausschließlich nach der "Kochbuchmethode" vorgehen. Es bedarf einer Kombination aus theoretischem Verständnis und spontaner Prozeßorientierung; man muß hin und her gehen. Die Klienten brauchen kein Theorieverständnis, und auch sie können es benutzen, um zu vermeiden, um sich zu drücken.

Bob: Und manchmal ganz anders als man es sich wünscht, wenn zum Beispiel jemand mit "klinischem Fachwissen" in die Gruppe kommt. Wie gehst du damit um?

Jim: Ich würde vielleicht versuchen es zu unterbinden. Wahrscheinlich würde ich diesem Teilnehmer sehr ungeschminkt gegenübertreten. Wenn jemand sehr hartnäckig ist, würde ich ihn bitten, es bei sich selbst auszuprobieren. Ist das, was du hier machst, eine Projektion? Sehr häufig ist es genau das, und solche Kandidaten sind sehr bemüht, das "nach außen" zu verlagern. Ich könnte vielleicht sagen: "Was du anbietest, ist durchaus möglich; kannst du das auf dich selbst anwenden?"

Bob: Wer, außer Fritz Perls, hat deiner Meinung nach am meisten Einfluß auf die Gestalttherapie genommen?

Jim: Ich halte es für unabdingbar, daß jeder Gestalttherapeut zumindest in einem gewissen Maß mit der Arbeit von Lore Perls vertraut ist. Ihren Artikel "Über die Psychologie des Gebens und Nehmens" (1953) muß jeder gelesen haben. Sie beschäftigt sich darin mit dem Verhältnis zwischen Gestalttherapie und Gestaltgemeinschaft und mit den soziologischen Fragestellungen, die sich daraus ergeben. In einem weiteren Artikel, "Der Gestalt-Ansatz" (L. Perls, 1961), geht sie auf verschiedene Fragen ein; ein hervorragender Beitrag. Es gibt noch eine Reihe neuerer Artikel von ihr - ich kenne nicht alle Titel, aber sie sind ebenfalls sehr gut.

Du kennst die Arbeit von Erv und Miriam Polster (1973), und ich glaube, du hast doch auch mit ihnen gearbeitet, oder? Ihr Buch "Gestalttherapie. Theorie und Praxis der integrativen Gestalttherapie" (1973) gehört ebenfalls zur Pflichtlektüre. Gerry Greenwalds (1973) Konzepte über nährendes oder giftiges Verhalten liegen als Manuskript vor, und ich finde es sehr interessant. Wenn du ihn noch nicht kennen solltest, empfehle ich Bob Resnick's Artikel "Chickensoup is Poison" (1970). Bob hat auch einen besonderen Stil entwickelt. Wenn er mit einem Klienten arbeitet, der sehr leidet, fragt er z.B. manchmal nach, was er tun müßte, um genauso zu leiden wie sein Klient. Das führt dazu, daß der leidende Klient sich mit dem, was er sich antut, auseinandersetzen muß.

Bob: Du hast von "Pflichtlektüre" gesprochen. Gibt es noch andere Artikel oder Bücher, die man aus deiner Sicht gelesen haben "muß"?

Jim: Ja, es gibt noch andere Texte, die ein Gestalttherapeut meines Erachtens kennen sollte. Es gibt einen Psychiater aus der Nähe von Los Angeles, der sich mit der gestalttherapeutischen Theorie der Veränderung beschäftigt hat. Er heißt Arnold Beisser (1970), und sein Aufsatz "Die paradoxe Theorie der Veränderung" ist m.E. ebenfalls ein "Muß". Wenn du diesen Aufsatz verstanden hast, dann bist du in der Lage, die existentialistische Theorie zu konzeptualisieren und in einen gestalttherapeutischen Zusammenhang einzubetten. Van Dusen greift dieses Konzept in einer seiner Arbeiten auf. Auch Erv Polster hat im Laufe der Jahre wichtige Beiträge geleistet. Paul Goodman, der am theoretischen Teil von "Gestalttherapie" (Perls, Hefferline und Goodman 1951) maßgeblich beteiligt war, hat darüber hinaus auch in einigen Aufsätzen bedeutsame Impulse gegeben. Abe Levitzky (1976) befaßt sich mit gestalttherapeutischer Theoriebildung. Von ihm liegen einige wichtige Artikel vor. John Enright (1972) schreibt über die Anwendung der Gestalttherapie in unterschiedlichen Settings. Einige seiner Arbeiten erscheinen ein wenig technisch, sind aber sehr fundiert. Für meine Begriffe leistet Walter Kempler (1970) einen wichtigen Beitrag zur Familientherapie. Das Buch "Gestalt Therapy Now" (1970), das Fagan und Shepherd herausgegeben haben, ist ebenfalls sehr lesenswert.

Bob: Laß' uns noch einen anderen Punkt ansprechen. Als ich neulich mit einer Gruppe arbeitete, merkte ich irgendwann, daß ich mich abquälte. Und indem mir das klar wurde, konnte ich regelrecht spüren, wie ich mich veränderte. Ich fühlte mich leichter, nicht mehr so belastet. Das Gewahrsein dessen, was ich tat und wie ich es tat, schien auszureichen, um diese Veränderung zu bewirken.

Jim: Was du da ansprichst, sind zwei verschiedene Arten des Lernens. Eine Art zu Lernen könnte man mit "Versuch und Irrtum" beschreiben, als "Aha-Erlebnis" oder auch als Einsicht. Die andere Art zu Lernen ist eine, bei der die Erfahrungen aufeinander aufbauen, bis schließlich eine gewisse Klarheit entsteht; hier geht es also nicht um den Versuch, sondern um den Aufbau von Erkenntnis, so daß du zwar auch hier ein "Aha-Erlebnis" haben kannst, aber in diesem Falle hat es sich über eine ganze Zeit hinweg aufgebaut. Wir könnten auch sagen, daß die Bewegung hier vom Allgemeinen zum Besonderen verläuft.

Die Theorie der Gestalttherapie sagt, daß du nicht mehr zu tun brauchst, als wirklich aufmerksam zu sein, also ganz bewußt wahrzunehmen und offen für das zu sein, was geschieht. Du brauchst dich nicht unter Druck zu setzen und brauchst dich weder zu schikanieren noch zu programmieren. Das Lernen durch Versuch und Irrtum funktioniert, wenn du wirklich dabei bist. Du kannst ein "Aha-Erlebnis" haben, und der Eindruck dieses Erlebnisses ist so stark, daß du nicht mehr gegen deinen Organismus arbeitest. Dein Gewahrsein ist nicht mehr eingeschränkt. Perls vertrat die Auffassung, daß du nichts brauchst außer Gewahrsein, und daß allein durch Gewahrsein Veränderung geschieht. Möglicherweise stimmt das nicht für jeden Persönlichkeitstyp - ich denke da zum Beispiel an Menschen mit einer Suchtstruktur. Hier ist das Gewahrsein nicht ausreichend ausgebildet, so daß es mehr braucht, um Veränderung zu ermöglichen. Vielleicht bedarf es bei manchen Veränderungsprozessen außer dem Gewahrsein auch der Bereitschaft sich zu "programmieren", also bewußte Entscheidungen zu treffen oder Unterstützung zu mobilisieren. Meine eigenen wichtigsten Veränderungen sind allerdings ohne jedes "Programmieren" geschehen.

Bob: Was meinst du mit "Programmieren"?

Jim: Entscheidungsbereitschaft, den Willen, etwas zu verändern, das Versprechen und bewußte Bemühen, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten. Manche Veränderungen basieren auch auf Vorsätzen oder Absichten. Einige Therapiesysteme, die Transaktionsanalyse zum Beispiel, gehen davon aus, daß du ohne Absicht nichts verändern kannst, daß du dich "programmieren" mußt, daß du dich dafür entscheiden mußt, ein neues Lebensskript zu schreiben. Die Gestalttheorie dagegen sagt, daß Gewahrsein alleine ausreichen kann. Im großen und ganzen orientiere ich mich am Gestaltansatz und gehe davon aus, daß Gewahrsein ausreicht; und manchmal betrachte ich das Programmieren als notwendige Ergänzung.

Wenn du ein "Aha-Erlebnis" hast und klar siehst, was du tust, und wenn du dann nichts anderes tust, sondern nur mit aufhörst, es zu tun, dann hast du den Beweis, daß Gewahrsein völlig ausreicht. Meine Theorie, meine Überzeugung, mein Glaube, die ich an andere Therapeuten weitergebe, basieren in meiner eigenen Erfahrung mit Veränderung. Je mehr ich erlebe, daß Gewahrsein ausreicht, desto mehr verbreite ich

diese Sichtweise.

Bob: Die Therapie, die ich mit Erv Polster erlebt habe, war zum Teil sehr intensiv und dramatisch. Einmal habe ich etwa zwei Stunden zu einem Thema gearbeitet, das mit meinem Vater zu tun hatte. Ich kann mich kaum an diese Arbeit erinnern, aber seitdem fühle ich mich meinem Vater gegenüber sehr erleichtert.

Jim: Wenn du nicht verstehst, dich nicht erinnerst oder im nachhinein nicht mehr sagen kannst, was in der Therapie eigentlich passiert ist, ist das meistens ein gutes Zeichen. Wenn ich ein klares Bild in meinem Kopf habe, bin ich manchmal nicht ganz dabei. Mein Intellekt, mein "Computer" ist zwar da, aber das ist noch keine vollständige Gestalt. Wenn ich wirklich ganz präsent bin und es irgendwann Klick macht, dann ist die Gestalt vollständig und ich kann sie wieder loslassen. Und wenn ich sie loslasse, dann schließe ich sie, und dann kann es sein, daß ich mich nicht mehr daran erinnere.

Bob: Manchmal kommt es in der Therapie vor, daß wir an einem bestimmten Punkt anfangen, und eine halbe Stunde später an einem ganz anderen Punkt gelandet sind; in der Zwischenzeit ist etwas Phantastisches passiert, aber es ist ziemlich schwierig, eine Verbindung zwischen diesen Punkten herzustellen. Und der Klient - oder auch die Gruppe - bestätigt, daß etwas wirklich Gutes geschehen ist.

Jim: Das würde ich als den kreativen Akt oder die Kunst der Therapie bezeichnen. Für meine Begriffe kannst du kein kompetenter Therapeut sein, wenn du nicht auch ein Künstler bist. Wenn du nur ein Künstler bist und nicht weißt, was du tust, wenn du also die "Regeln" deiner Kunst nicht kennst, dann ist das eine erhebliche Einschränkung, weil du deine Kunst niemals wirst lehren oder weitergeben können. Dann bist du vielleicht ein guter Therapeut, aber ein schlechter Trainer oder Lehrer. Es kann aber auch sein, daß jemand die gesamte Theorie des Malens drauf hat, aber nicht in der Lage ist, ein Bild zu malen. Die beste Kombination besteht darin, genügend theoretisches Hintergrundwissen zu haben, um die Kunst der Therapie dadurch unterstützen und auf ein solides Fundament stellen zu können.

Für einen Trainer reicht es nicht aus, ein guter Therapeut oder Künstler zu sein. Dafür braucht man vielmehr die Unterstützung und den Rückhalt der Theorie, denn Training ist mehr als Menschen dazu zu ermutigen, ihr eigenes Leben zu leben.

Bob: Meinst du mit Unterstützung ein fundiertes Wissen, also eine solide Verankerung in der gestalttherapeutischen Theorie?

Jim: Ja, und noch mehr als das. Wenn du als Therapeut zum Beispiel einen verhaltenstherapeutischen, einen adlerianischen oder irgendeinen anderen Hintergrund hast, dann muß ich als Trainer eine Idee von diesem Hintergrund haben, damit ich eine Verbindung zur Gestalttherapie herstellen kann. Ich muß wissen, wo die Unterschiede zur Gestalttheorie liegen, welche Gemeinsamkeiten es gibt und wo beide voneinander abweichen. Wenn ich mich mit dir unterhalte und du dich zwar nicht mit Gestalttherapie auskennst, wohl aber mit Psychoanalyse, dann wird mir die Fähigkeit, das was du sagst, in gestalttherapeutische Begriffe zu übersetzen, helfen, dich besser zu verstehen und mich dir besser verständlich zu machen. Weil ich also die notwendige Unterstützung habe, kann ich mich mit dir theoretisch verständigen. Du weißt, daß Perls nicht einfach so zur Gestalttherapie kam. Er hatte einen psychoanalytischen Hintergrund, er arbeitete mit Reich, und als Reich anfing, seine Körper-Panzer-Theorie zu entwickeln, wußte er seinerseits wiederum von der Arbeit Otto Ranks und so weiter. Du kannst ein hervorragender Therapeut sein - wenn du keine Theoriekenntnisse hast, wirst du kein guter Trainer sein können. Wenn du Gertrude Steins "Autobiographie von Alice B. Toklas" (1956) liest, bekommst du eine Idee von diesem Kreislauf, in dem sie sich gegenseitig beeinflußt haben. Wenn man weiß, daß Fritz Perls Ambitionen hatte, Schauspieler zu werden und u.a. bei Max Reinhardt zugearbeitet hat, dann wird manches an dem von ihm entwickelten Stil verständlicher. Es gibt Therapeuten, die über eine wirklich gut funktionierende Selbstunterstützung verfügen, die solide arbeiten und einen guten Ruf haben. Ich finde, daß sie auf dieser Basis allein nicht als Trainer arbeiten sollten. Denn was dazukommen muß, sind die Unterstützung aus dem Umfeld, die Theorie und der Hintergrund, von dem ich hier spreche.

Literaturangaben

Beisser, A.R. (1970). Gestalttherapie und das Paradox der Veränderung. In: ders., Wozu brauche ich Flügel? Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter. Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 1997.

Enright, J. (1972). Thou Art That: Projection and Play in Gestalt Therapy. In: Psychotherapy: Theory, Research and Practice, 9, 1972.

Fagan, J. und Shepherd, I. (Hg.) (1970). Gestalt Therapy Now. Palo Alto, California: Science and Behavior Books.

Greenwald, J.A. (1973). Be the Person You Were Meant to Be: Antidotes to Toxic Living. New York: Simon and Schuster.

Kempler, W. (1974). Grundzüge der Gestalt-Familientherapie. Stuttgart: Klett, 1975.

Levitsky, A. (1976). Combining Hypnosis with Gestalt Therapy. In: E. Smith (Hg.), The Growing Edge of Gestalt Therapy. New York: Brunner/Mazel, 1976.

Perls, F.S., Hefferline, R. und Goodman, P. (1951). Gestalttherapie. Deutsch in zwei Bänden: Gestalttherapie. Praxis, sowie: Gestalttherapie. Grundlagen, München: DTV, 1992.

Perls, L. (1953). Über die Psychologie des Gebens und Nehmens. In: dies., Leben an der Grenze: Essays und Anmerkungen zur Gestalt-Therapie. Hg. von Milan Sreckovic. Köln: Edition Humanistische Psychologie, 1999.

Perls, L. (1961). Der Gestalt-Ansatz. In: dies., Leben an der Grenze: Essays und Anmerkungen zur Gestalt-Therapie. Hg. von Milan Sreckovic. Köln: Edition Humanistische Psychologie, 1999.

Polster, E. und Polster, M. (1973). Gestalttherapie: Theorie und Praxis der integrativen Gestalttherapie. Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 2001.

Resnick, R.W. (1970). Chicken Soup is Poison. In: Voices, 1970, 6, 2.

Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

Foto: James S. Simkin(c) Robert Resnick, 1984

James S. Simkin, PhD (1919-1984)

kam schon in den frühen fünfziger Jahren in Kontakt mit der Gestalttherapie. Er war einer der ersten Klienten und später Schüler von Fritz Perls in New York. Als er später nach Los Angeles zog, war er der erste Gestalttherapeut an der Westküste.

Am Esalen-Institut in Big Sur, dem Zentrum der Human-Potential-Bewegung, waren Jim Simkin und Fritz Perls in den sechziger Jahren als Kollegen tätig. Und in unmittelbarer Nachbarschaft von Esalen baute Jim sein berühmtes Haus, in dem er die letzten 14 Jahre seines Lebens Gestalttherapie lehrte.

In unserer Edition des Gestalt-Instituts Köln im Peter Hammer Verlag ist Simkins Klassiker soeben in der 3., überarbeiteten und erweiterten Auflage erschienen: "Gestalttherapie. Mini-Lektionen für Einzelne und Gruppen".

Das nebenstehende Interview führte der amerikanische Gestalttherapeut Robert L. Harman im Jahre 1975 mit James S. Simkin. Es ist zuerst erschienen in der Zeitschrift "Voices",

1989, 24, 2. © 1989 by Robert L. Harman.

Aus dem Amerikanischen von Ludger Firneburg.

Wir danken Robert L. Harman für seine freundliche Genehmigung der deutschen Erstübersetzung.

Bitte beachten Sie auch Robert L. Harmans Buch "Werkstattgespräche Gestalttherapie. Mit Gestalttherapeuten im Gespräch".

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