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Stephen Schoen:

Gestalttherapie
Ein Credo in zwei Teilen

Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

Gestaltkritk verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

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 Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

 Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus der Gestaltkritik (Heft 2-1998):

Foto: Stephen Schoen
(
Stephen Schoen)

 

Stephen Schoen:

Gestalttherapie
Ein Credo in zwei Teilen

 

1. Ich liebe Formeln. Ich liebe die präzise und verschlüsselte Formulierung einfacher und wirkungsvoller Gesetzmäßigkeiten. E = mc2: so faßt der Physiker die Gleichheit von Masse und Energie auf vollendete Weise zusammen. Was gibt es in der Gestalttherapie zusammenzufassen? Wir sprechen von "Gewahrsein", von "Kontakt" und von "Experimenten", um Gewahrsein und Kontakt zu intensivieren. Aber für mich ist die einfachste Zusammenfassung immer die beste, und ich finde sie in dem Wort: Kontakt. Denn das non plus ultra des Gewahrseins ist der Kontakt zum Selbst. "Gewahrsein" an sich impliziert allzu oft ein intellektuelles und zuweilen sehr trockenes und nüchternes Denken. Der Kontakt mit dem Selbst hingegen beinhaltet ein Spüren, das auch klare Intuition, Erkenntnisreichtum und Gefühlsintensität umfaßt. Das Wort "Gewahrsein" klingt in meinen Ohren zu schwülstig, es nimmt sich selbst schnell zu wichtig. Kontakt mit dem Selbst hingegen beinhaltet eine Haltung der Demut, die einfach verbindet. Ebensogut könnte man diese Verbindung zu sich selbst als Eigenliebe bezeichnen. Unter Kontakt mit dem anderen verstehen wir natürlich den Kontakt "an der Ichgrenze", von dem wir immer wieder sprechen. Darin bewahrt und bestätigt sich die eigenständige Realität jedes einzelnen, und auch hier könnten wir genauso gut von Liebe sprechen. Das Experiment dient dazu, den Kontakt auszuweiten, und zwar sowohl mit sich selbst als auch mit anderen. Ja, ich mag dieses Wort wegen seiner Weite, seiner Ökonomie, seiner knappen Einsicht, daß "alles darauf hinausläuft." Worauf läuft in der Gestalttherapie alles hinaus? Auf Kontakt. Oder, um dieses heutzutage etwas technisch klingende Wort zu verfeinern, wählen wir einen anderen, kürzeren und gefühlsbetonteren Ausdruck: In der Therapie geht es letztlich um Liebe.

 

2. Ich hasse Formeln. Der Philosoph A. N. Whitehead äußerte sich einmal sehr lobend über einen Vortrag zur Quantenmechanik von Bertrand Russel mit den Worten: "Er hat die rätselhafte Dunkelheit dieses Themas unverhüllt gelassen." Ist das nicht ein wahrhaft großartiger Gedanke: die Dunkelheit unverhüllt zu lassen? Der englische Dichter Keats sprach von der "negativen Fähigkeit" als dem großen Meisterwerk des literarischen Genies: daß jemand den Zweifel zuläßt. Wie Shakespeare mit all den Fragen und der Ironie eines Hamlet - "ohne die gereizte Suche nach Fakten und Gründen", schreibt Keats. Ist diese Freiheit, den Zweifel zuzulassen, nicht die Freiheit eines wahrhaft großmütigen Geistes? In der modernen Systemtheorie beobachten die Psychotherapeuten das Gleichgewicht der Kräfte, die innerhalb eines "geschlossenen Systems" herrschen. Aber ist nicht die größte Sichtweise menschlicher Systeme diejenige, welche in jedem Individuum das Wirken eines offenen Systems erkennt, eine Art Parabel mit unendlicher Ausdehnung? Und diese Umarmung der Offenheit, diese totale Bereitschaft, dunkel, undurchdacht und letztlich nicht erklärbar zu sein, sondern an das zu glauben, was geschieht und zu glauben, das der nächste Glaube dem vorhergehenden seine Gültigkeit nehmen könnte und daß auch noch der letzte Glaube nicht mehr als einen flüchtigen Glanz erfahren wird, dies ist das A und O der Gestalttherapie. Ihm bin ich verpflichtet, jetzt und immerdar. 

 Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

 Zum Text:

Der nebenstehende Beitrag ist zuerst erschienen in: The Gestalt Journal Vol. X, No. 1.
© The Gestalt Journal Press, 1987
Wir danken Joe Wysong vom Gestalt Journal für die Genehmigung der deutschen Erstübersetzung.
Aus dem Amerikanischen von Ludger Firneburg.

 

Zum Autor:

Dr. Stephen Schoen

Psychiater und Gestalttherapeut in freier Praxis in San Rafael/Kalifornien und Ausbilder am Gestalt Institute of San Francisco. Zu seinen Lehrern gehörten Fritz Perls, Harry Stuck Sullivan, Milton Erickson und Gregory Bateson, mit dem ihn eine Freundschaft verband. Er lehrt seit vielen Jahren Gestalttherapie in den USA und in Europa.

Als Gemeinschaftsproduktion veröffentlichten Gestalt-Institut Köln und Hammer Verlag Stephen Schoens Buch "Wenn Sonne und Mond Zweifel hätten. Gestalttherapie als spirituelle Suche (19,80 DM zzgl. 3,- DM Versand).

In unserer Zeitschrift Gestaltkritik haben wir ein Kapitel aus Stephen Schoens neuem Roman vorabgedruckt. Auch dieser Text befaßt sich mit dem Thema Psychotherapie und Spiritualität: "Der Vogel singt wieder."

Außerdem erschien bei uns sein Vortrag "Ich-Du und die Übertragung" auf einer Audio-Cassette (19,80 DM zzgl. 3,- DM Versand).

Bestellanschrift: gik-gestalttherapie@gmx.de

Bitte beachten Sie auch Stephen Schoens nächsten Workshops im Gestalt-Institut Köln: "Das Herz über das Hindernis werfen. Gestalttherapie-Workshop"

 

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