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Laura Perls
Gestalttherapie ist immer politisch
Die Mitbegründerin der Gestalttherapie im Gespräch mit Daniel Rosenblatt

Auszüge aus einem Werkstattgespräch im Gestalt-Institut Köln (GIK) am 14. Juni 1988

Aus der Gestaltkritik 1/2013:

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

Gestaltkritik verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

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  Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus Gestaltkritik 1/2013:

Laura Perls
Gestalttherapie ist immer politisch
Die Mitbegründerin der Gestalttherapie im Gespräch mit Daniel Rosenblatt

Auszüge aus einem Werkstattgespräch im Gestalt-Institut Köln (GIK) am 14. Juni 1988

Laura Perls im Gestalt-Institut Köln
Laura Perls am 14. 6. 1988 im Gestalt-Institut Köln / GIK Bildungswerkstatt.
Mit Daniel Rosenblatt und Erhard Doubrawa (links).
Reproduktion von einem Video-Film, © GIK.

 

Mit der Geschichte der Gestalttherapie wird immer noch fast ausschließlich Fritz Perls verbunden. Der Beitrag seiner Frau Laura bleibt häufig unerwähnt, obwohl sie von Anfang an maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war. Und nicht nur das. Laura Perls steht für einen ganz besonderen Stil: für liebevolle Aufmerksamkeit, für Wohlwollen, Einfühlungsvermögen und Unterstützung der KlientInnen in einer sehr bodenständigen Arbeit. Eben für die »mütterliche« Dimension der Gestalttherapie.

Mit Laura Perls Beitrag zur Gestalttherapie haben wir uns in der "Gestaltkritik. Die Zeitschrift für Gestalttherapie" schon mehrfach beschäftigt - zuletzt veröffentlichten wir in der Online-Ausgabe 2/2013 Daniel Rosenblatts Beitrag "Viel mehr, als einfach nur die Frau von Fritz Perls".

Besonders möchten wir Sie auf die folgende Buchveröffentlichung aufmerksam machen: Anlässlich des 100. Geburtstages von Laura Perls erschien der GIK-Klassiker "Der Weg zur Gestalttherapie" in einer erheblich erweiterten Ausgabe - unter dem Titel: "Meine Wildnis ist die Seele des Anderen".

Der Herausgeber

 

Laura: Fritz und ich trafen uns im Gelb-Goldstein-Seminar.

Dan: Wie sah zu dieser Zeit euer politisches Engagement aus?

Laura: Fritz war im Ersten Weltkrieg gewesen, und gegen Ende des Krieges war er Mitglied eines Arbeiter- und Soldatenrats. Als er zurückkam, war er verzweifelt und zynisch und ziemlich desillusioniert. Er lehrte dann später an einer Arbeiterhochschule. Ich selbst gehörte damals keiner politischen Organisation an. Früher war ich in verschiedenen Jugendgruppen gewesen, in sehr freiheitlich-sozialistisch orientierten Jugendgruppen. Und zu dieser Zeit waren wir die roten Studenten. […]

Dan: Dass du und Fritz Deutschland verlassen musstet, hatte nichts damit zu tun, dass ihr Juden wart?

Laura: Nicht so sehr. Sicherlich hätten wir als Juden unseren Beruf sowieso verloren, und wir hätten gehen müssen. Aber wir verließen Deutschland vor allem aus politischen Gründen. Wir waren Mitglieder der Antifaschistischen Liga, wir gehörten nicht der [kommunistischen] Partei an, sondern der Antifaschistischen Liga, und Fritz lehrte an einer Arbeiterhochschule. Die letzten Nächte in Frankfurt schliefen wir jede Nacht woanders, denn sie kamen immer nachts, so zwischen zwei und vier. […]

In Südafrika fragte mich einmal einer unserer trotzkistischen Freunde, warum ich mich nicht stärker politisch engagierte. Ich antwortete, dass ich meine Arbeit als politisch begreifen würde.

Dan: Wie kam es, dass Fritz sich so sehr für den Anarchismus interessierte und sich zu Dwight McDonald und Paul Goodman hingezogen fühlte? Bevor er nach Amerika ging, war er doch schon sehr an den beiden interessiert.

Laura: Das Interesse an den beiden kam mehr von meiner Seite.

Dan: Wie kamst du dazu?

Laura: In Südafrika hatten wir das Magazin Politics gelesen, das Dwight herausgab, und Paul Goodman hatte einige Artikel darin veröffentlicht. Paul war zu dieser Zeit in Reichianischer Analyse. […]

Dan: Es sieht so aus, als hätte sich Paul Goodmans politisches Engagement verändert, seit er bei euch in Therapie und im Training gewesen war, - als wäre sein Engagement mehr gesellschaftsbezogen geworden und weniger abstrakt-theoretisch. […] Würdest du sagen, dass Fritz Anarchist wurde?

Laura: Nein, Fritz war niemals Anarchist, er war selbst viel zu autoritär.

[Publikum lacht.]

[…]

Dan: Wie sah es mit Fritz' politischem Engagement während des Vietnam-Krieges aus?

Laura: Nichts.

Dan: Aber er hörte auf, Steuern zu bezahlen, das ist sicher.

Laura: Aber nicht aus politischen Gründen. Er vergaß es einfach.

Dan: Das glaube ich nicht. Niemand vergisst, seine Steuern zu bezahlen.

[Publikum lacht.]

Laura: Weißt du, an einem Ort wie Esalen [dem Zentrum der Human-Potential-Bewegung in Big Sur; Kalifornien] erinnert dich niemand daran. Wenn du in einer Stadt lebst, dann kannst du dem nicht entkommen. Und wenn man immer die Zeitung liest, was Fritz nicht tat …

Dan: Ich dachte, dass er auch politische Gründe hatte, keine Steuern zu bezahlen.

Laura: Ja sicher; aber ich denke, die politischen Gründe fielen am wenigsten ins Gewicht. Paul Goodman hielt bewusst den Teil seiner Steuern zurück, von dem er annahm, dass er nur für Waffen ausgegeben wurde.

Dan: Noam Chomsky [ein führender amerikanischer Sprachwissenschaftler] gehörte zu denen, die diese Gruppe gründeten. Diese Leute zahlten den Teil ihrer Steuern nicht, bei dem sie davon ausgingen, dass er ausschließlich für militärische Zwecke ausgegeben würde. Chomsky war Trotzkist.

Laura: Wir waren alle einmal Trotzkisten.

Dan: Richtig.

Laura: Das war bereits eine Rebellion gegen die Partei.

Dan: Die Partei hatte eine Rebellion nötig. […]

Frage: Lore Perls, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Ihre Arbeit als politische verstehen. Können Sie noch mehr dazu sagen?

Laura: Ich denke, wenn man Menschen dabei unterstützt, authentischer zu werden - in Gesellschaften, die mehr oder weniger autoritär oder autoritätsorientiert sind, ist das immer politische Arbeit, in der Therapie, in der Erziehung, in der Sozialarbeit. […]

Frage: Wie ist es für Sie, hier in Deutschland zu arbeiten?

Laura: Ich arbeite jetzt schon viele Jahre in Deutschland, 15 oder 16 Jahre. Und was mich gleich zu Anfang am meisten berührt hat war, dass ich mich selbst wieder viel stärker benutzen konnte als in Amerika, weil der Bildungshintergrund in Europa größer ist. Die Amerikaner kennen ihre Spezialitäten und verfügen über ein geringeres Wissen über Literatur, Geschichte, Anthropologie oder andere Sprachen.

Dan: Mir kommt es so vor, als hätten die Deutschen mehr Respekt vor Autoritäten.

Laura: Ja.

[Publikum lacht.]

Dan: Zuviel Respekt vor Autoritäten. Das macht es hier leichter, Therapeut zu sein. Die Gruppenteilnehmer fordern mich hier weniger heraus. In Japan ist es übrigens auch so. Dort sind sie dem Therapeuten gegenüber sehr respektvoll. Amerikaner haben weniger Respekt.

 

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Foto: Laura PerlsLaura Perls, Foto Mitte der 1980er Jahre, © Theo Skolnik

Mit der Geschichte der Gestalttherapie wird immer noch fast ausschließlich Fritz Perls verbunden. Der Beitrag seiner Frau Laura bleibt häufig unerwähnt, obwohl sie von Anfang an maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war. Und nicht nur das. Laura Perls steht für einen ganz besonderen Stil: für liebevolle Aufmerksamkeit, für Wohlwollen, Einfühlungsvermögen und Unterstützung der KlientInnen in einer sehr bodenständigen Arbeit. Eben für die »mütterliche« Dimension der Gestalttherapie.

Mit Laura Perls Beitrag zur Gestalttherapie haben wir uns in der "Gestaltkritik. Die Zeitschrift für Gestalttherapie" schon mehrfach beschäftigt - zuletzt veröffentlichten wir in der Online-Ausgabe 2/2013 Daniel Rosenblatts Beitrag "Viel mehr, als einfach nur die Frau von Fritz Perls".

Der hier veröffentliche Beitrag ist zuerst erschienen im Buch "Meine Wildnis ist die Seele des Anderen: Der Weg zur Gestalttherapie" (Laura Perls & Daniel Rosenblatt) in der Edition des Gestalt-Instituts Köln (GIK), das wir Ihnen hiermit besonders ans Herz legen möchten.

Wenn Sie gleich zu dieser Seite gekommen sind, ohne bisher unsere Homepage besucht zu haben, so sind sie herzlich dazu eingeladen:
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