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Werner Bock
Arnold Beisser und das Paradox der Veränderung in der Gestalttherapie


Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

Gestaltkritik verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

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  Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus der Gestaltkritik 2-2003:

Werner Bock
Arnold Beisser und das Paradox der Veränderung in der Gestalttherapie

 

Werner Bock

 

Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht, etwas zu werden, das er nicht ist. Veränderung ergibt sich nicht aus einem Versuch des Individuums oder anderer Personen, seine Veränderung zu erzwingen, aber sie findet statt, wenn man sich die Zeit nimmt und die Mühe macht, zu sein, was man ist; und das heißt, sich voll und ganz auf sein gegenwärtiges Sein einzulassen. Indem der Gestalttherapeut es ablehnt, die Rolle dessen zu übernehmen, der Veränderung "herstellt", schafft er die Voraussetzung für sinnvolle und geordnete Veränderung.

Der Gestalttherapeut verweigert die Rolle des "Veränderers", weil seine Strategie darin besteht, den Klienten zu ermutigen, ja sogar darauf zu bestehen, daß er sein möge, wie und was er ist. Er glaubt, daß Veränderung nicht durch Bemühen, Zwang, Überzeugung, Einsicht, Interpretation oder ähnliche Mittel zu bewirken ist. Vielmehr entsteht Veränderung, wenn der Klient - zumindest für einen Moment - aufgibt, anders werden zu wollen, und stattdessen versucht zu sein, was er ist. Dies beruht auf der Prämisse, daß man festen Boden unter den Füßen braucht, um einen Schritt vorwärts zu machen, und daß es schwierig oder gar unmöglich ist, sich ohne diesen Boden fortzubewegen.

(Arnold R. Beisser, Die paradoxe Theorie der Veränderung)

 

"Die Gestalttherapie ist eine Form der Psychotherapie, die im unterstützenden und fordernden Spannungsfeld einer Ich-Du-Beziehung die Bewußtheit der KlientInnen von ihrer subjektiven, unmittelbar erfahrbaren Realität fördert. Dies geschieht im Vertrauen darauf, daß das im persönlichen Kontakt zwischen KlientIn und TherapeutIn erfolgende deutliche Erleben von dem, was ist, die wesentliche Voraussetzung für ganzheitliche menschliche Veränderungsprozesse darstellt."

So beginnt ein Text, in dem Frank-M. Staemmler und ich beschreiben, was wir unter Gestalttherapie verstehen (Bock und Staemmler 1994, 217). Die erwähnte, "wesentliche Voraussetzung" für menschliche Veränderung betonen wir im weiteren Verlauf dieses Textes nochmals explizit: "Das ganzheitliche und selbst verantwortete Wahrnehmen-Erleben von sich selbst und der Welt, wie es sich für einen Menschen im gegebenen Augenblick auf einmalige und individuelle Weise entfaltet, stellt eine zentrale Voraussetzung für die von ihm erwünschte Veränderung dar" (a.a.O.).

Wir beziehen uns hier auf einen Artikel von Arnold Beisser, in dem dieser seine von ihm sogenannte "paradoxe Theorie der Veränderung" darstellt: "Kurz gesagt geht es um Folgendes: Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht, etwas zu werden, das er nicht ist."

Diese Theorie wurde zu einem Kernstück gestalttherapeutischer Theoriebildung. Maßgebende Autoren verweisen immer wieder auf Beissers Aufsatz, z. B. Polster und Polster (1975), Süss und Martin (1978), Barbara Staemmler (1979), Petzold (1973 und 1984), Staemmler und Bock (1991), Clarkson und Mackewn (1995), Yontef (1993) und Staemmler (1993 und 1995). Sie alle halten Beissers Beitrag für grundlegend. Süss und Martin schreiben: "In Übereinstimmung mit der Sichtweise östlicher Philosophen spielt das ›Paradox der Veränderung‹, wie es Beisser formuliert hat, die Rolle des zentralen Wirkungsmechanismus im therapeutischen Prozeß … Veränderung und Integration ist nur über eine Identifikation mit allen Vitalfunktionen möglich" (1978, 2735). Und Clarkson und Mackewn stellen fest: "Auf der Grundlage von Perls' Kommentaren über und Beispielen für die paradoxe Natur der Veränderung entwickelte Beisser die Paradoxe Theorie der Veränderung, die seither in der Entwicklung des Gestaltdenkens hinsichtlich Veränderung einen zentralen Stellenwert hat" (1995, 170).

Perls selbst war begeistert von Beissers Hilfestellung bei seiner Theoriebildung; er schrieb über den Artikel, er sei "… von Stil und Inhalt her ein Klassiker …" (1981, 296). In seiner Autobiographie wendet er sich sogar direkt an Beisser: "Ich möchte dir sagen, daß ich deinen Aufsatz ausgezeichnet fand. Es gibt wenige Menschen, die das Paradoxon der Veränderung begreifen" (a.a.O.). - Ich denke, die erwähnten Quellen und Textstellen belegen die besondere Bedeutung von Beissers Artikel für die Gestalttherapie und machen verständlich, warum wir es für dringend an der Zeit hielten, daß dieser Text übersetzt und auch in deutscher Sprache veröffentlicht wird.

Wer war dieser Arnold Beisser, und was brachte gerade ihn dazu, diese für die Gestalttherapie so zentrale Theorie zu formulieren? Perls schreibt: "Ich kenne Arnie schon so lange. Hallo Arnie. Ich fühle mich wohl in deiner Gegenwart, selbst wenn es nur in meiner Fantasie ist. Ich weiß, wir mögen uns, und trotzdem sind wir meist befangen, wenn wir uns treffen. Du siehst so zerbrechlich aus in deinem Stuhl. Ich habe dich nie gefragt, was es für dich bedeutet, nicht in der Lage zu sein, frei deine Arme auszustrecken, wenn du jemand umarmen willst. Wieviel Mut bedeutet es, dieses Leben zu akzeptieren, nachdem du, einmal aktiv im Sport engagiert, an Kinderlähmung erkranktest und beinahe nicht überlebt hättest. (…) Ich danke dir, Arnold Beisser, für dein Verständnis, dein Vertrauen und deinen Mut" (1981, 296f).

Arnold Beisser hatte Medizin an der Stanfort University studiert und gerade die nationalen Tennismeisterschaften gewonnen, als er 1950 im Alter von 25 Jahren an Kinderlähmung erkrankte und fast vollständig gelähmt wurde. Er konnte zeitweilig nur noch mit Hilfe einer eisernen Lunge atmen. Für ihn, den erfolgreichen Sportler, bedeutete diese Erkrankung eine zunächst völlig unvorstellbare Veränderung seines Lebens.

In seiner Autobiographie ("Wozu brauche ich Flügel? Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter"), die 1989, nicht lange vor seinem Tod, im Original erschien, schildert Beisser sehr eindrucksvoll, wie er versucht, mit dieser radikalen, unfreiwilligen Veränderung fertig zu werden, und welche Veränderungsprozesse er dabei durchlebt. Er beschreibt z.B. ein für ihn sehr eindrucksvolles Erlebnis, daß er in einer Klinik zwei Jahre nach seiner Erkrankung hatte: "Eines Abends lag ich dort allein und fühlte mich besonders hoffnungslos und leer. Ich schaute den Korridor entlang in dem Wunsch oder vielleicht der Erwartung von jemandem oder von etwas. Aber ich sah nur den dunklen Gang mit ein paar Türen. Nichts geschah, keine Menschen waren zu sehen. Meine Verzweiflung erreichte einen Höhepunkt, und ich hatte das Gefühl, sie nicht länger ertragen zu können. Dann, langsam, begann ich, den Korridor auf eine andere Art zu betrachten; ich bemerkte nach und nach Unterschiede, Schattierungen von Grau und Schwarz, Licht und Schatten. Die Türen an den Seiten des Korridors bildeten subtile geometrische Muster, die dadurch zustandekamen, daß sie mehr oder weniger weit offenstanden. Ich fing an, aufmerksam zu schauen und diese Szene zu bestaunen, die mich nur ein paar Augenblicke zuvor so sehr deprimiert hatte. Sie wirkte nun überraschend schön auf mich. Meine Wahrnehmung hatte gewechselt, meine Augen schienen auf wunderbare Weise erfrischt. Dieses Erlebnis war vollständig und ganz. Ich schaute noch lange den Gang entlang."

Solche, für Beisser in seiner Situation tiefgreifenden Erlebnisse bildeten offenbar seinen persönlichen Erfahrungshintergrund, vor dem er später die therapeutischen Prozesse würdigen konnte, die er bei den KlientInnen von Perls beobachtete. Er kannte das Geheimnis ihrer Veränderungen längst aus eigener Erfahrung und war darum in der Lage, es so treffend und prägnant zu formulieren.

Was Beisser meint, wenn er davon spricht, daß die paradoxe Theorie der Veränderung die Grundlage der Arbeit von Perls war, möchte ich an einem Beispiel zeigen. Es handelt sich um eine Sitzung, die Perls im Rahmen seiner Wochenendseminare in den Jahren 1966-68 am Esalen Institut abhielt. Perls demonstrierte in diesen Workshops seine neue Therapie und arbeitete in der Regel mit einer einzelnen Person im Rahmen einer Gruppe.

 

"Ellie: Ich heiße Ellie … Hm, ich habe ein flattriges Gefühl in der Brust, im Augenblick, und ich möchte locker werden.

Fritz: Das ist ein Programm.

Ellie: Wie?

Fritz: Das ist ein Programm - wenn du sagst: ›Ich möchte locker werden.‹

Ellie: Ich versuche es, jetzt.

Fritz: Ich versuche es.‹ Das ist auch ein Programm. Du bringst das, was du sein willst, mit dem, was ist, durcheinander.

Ellie: Jetzt - ich bewege meine Arme, um mich zwangloser zu fühlen. Und ich möchte über …

Fritz: Erlaube mir, dir etwas zu sagen, Ellie. Die Grundlage dieser Arbeit ist das Jetzt. Du bist die ganze Zeit in der Zukunft. ›Ich möchte an dem und dem arbeiten.‹ ›Ich will das versuchen‹, und so weiter. Wenn du arbeiten kannst, dann fange jeden Satz mit dem Wort jetzt an.

Ellie: Jetzt sage ich zu Ihnen, Dr. Perls, daß ich mich nicht wohl fühle. Jetzt spüre ich, wie sich meine Brust hebt und senkt. Ich spüre einen tiefen Atemzug. Ich fühle mich jetzt ein bißchen besser.

Fritz: Siehst du, anstatt zu versuchen, dich in die Zukunft zu flüchten, kommst du nun mit dir selbst im Jetzt in Berührung. Natürlich fühlst du dich besser …" (Perls 1974, 184f).

 

Perls besteht konsequent darauf, daß Ellie sich mit dem, was sie im Moment erlebt, auch identifiziert. Auf diese Weise unterstützt er sie, so zu sein, wie sie sich im Moment erlebt. Sobald Ellie sich darauf einläßt, fühlt sie sich sofort "ein bißchen besser". Im weiteren Verlauf der Arbeit möchte sie jedoch immer wieder anders sein, als sie gerade ist, und sich auf diesem Weg verändern. Gerade dadurch stagniert sie jedoch wieder. Es fällt ihr noch schwer, ihre "Programme" (›Ich möchte X werden.‹) aufzugeben und stattdessen, wie Perls ihr vorschlägt, "im Jetzt zu bleiben". Im Anschluß erläutert Perls seine theoretischen Gedanken dazu:

"Wir sind alle mit der Idee der Veränderung beschäftigt, und die meisten gehen da heran, indem sie Programme machen. Sie wollen sich ändern. ›Ich sollte so sein‹ und so weiter und so weiter. Was aber tatsächlich geschieht, ist, daß die Idee einer vorsätzlichen Änderung niemals, nie und nimmer, funktioniert. Sobald man sagt: ›Ich möchte mich ändern‹ - ein Programm aufstellt - wird eine Gegenkraft in einem erzeugt, die von der Veränderung abhält. Änderungen finden von selbst statt. Wenn man tiefer in sich hineingeht, in das, was man ist, wenn man annimmt, was da vorhanden ist, dann ereignet sich der Wandel von selbst. Das ist das Paradoxe des Wandels. Vielleicht kann ich das mit einem guten alten Sprichwort ein wenig untermauern, das folgendes besagt: ›Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.‹ Sobald man eine Entscheidung fällt, sobald man sich ändern will, begibt man sich auf den Weg in die Hölle, weil man's nicht erreichen kann; und dann empfindet man sich als schlecht; man quält sich selbst und fängt an, das allseits bekannte Selbstquälerei-Spielchen zu spielen, das bei den meisten Menschen unserer Zeit so sehr beliebt ist.

Solange man ein Symptom bekämpft, wird es schlimmer. Wenn man Verantwortung übernimmt für das, was man sich selbst antut, dafür, wie man seine Symptome hervorbringt, wie man seine Krankheit hervorbringt, wie man sein ganzes Dasein hervorbringt - in dem Augenblick, in dem man mit sich selbst in Berührung kommt -, beginnt das Wachstum, beginnt die Integration, die Sammlung" (a.a.O., 187).

Ein Beispiel, in dem eine Veränderung im von Perls beschriebenen Sinne gelingt, ist eine Arbeit mit Ruth Cohn, die diese in eindrucksvoller Weise geschildert und veröffentlicht hat. Am entscheidenden Punkt in dieser Arbeit ermutigt Perls Ruth Cohn, so zu sein, wie sie gerade ist, auch wenn sie sich in einem sehr unangenehmen Zustand befindet. Und genau dadurch passiert ›plötzlich‹ die wesentliche Veränderung. Perls hatte Ruth Cohn begleitet bis "… es irgendwann ganz leer in mir wurde; erschöpft, leer: ›Ich bin kataton …‹ (Fritz: ›Sei kataton!‹) Ich blieb stehen wie ich stand. Aufrecht. Ein Arm aufwärts, einer hing herunter. Totale Leere, totale Steifheit. Nichts. Zeitloses Nichts. - Und plötzlich stand vor mir ein riesengroßer, breiter Laubbaum, mit Blüten übersät, mit Vögeln, die auf Zweigen herumhüpften und an Früchten pickten. Das Nichts war zur Fülle geworden und zu einem lebendigen Baum, einem Lebensbaum, und ich sah den Baum und war der Baum" (in: Farau und Cohn 1984, 307). Durch diese Arbeit scheint sich die persönliche Ausstrahlung von Ruth Cohn qualitativ verändert zu haben; sie sagt rückblickend: "Das Wort ›Charisma‹ war nie zuvor für mich gebraucht worden; nun folgte es mir überallhin nach" (a.a.O., 310).

Was bedeutet nun dieses "Paradox der Veränderung" für uns TherapeutInnen in unserer praktischen Arbeit? Für mich hat sich das in dieser Theorie beschriebene Phänomen in meiner Arbeit mit KlientInnen immer wieder bestätigt und ist so für mich zu einer Wahrheit geworden, die mir gerade in schwierigen Situationen oft die entscheidende Orientierung für mein therapeutisches Handeln gibt. Beisser beschreibt aus meiner Sicht sowohl einen ›zentralen Wirkungsmechanismus‹, (vgl. Süss u. Martin) der Veränderung im Erleben des Klienten als auch eine innere Haltung auf seiten des Therapeuten. Diese Haltung bewahrt ihn davor, seinen Klienten verändern zu wollen, dabei zum hilflosen Helfer zu werden und in dieser Rolle dem sicheren "burn-out" entgegenzuleiden. Sie unterstützt ihn im Gegenteil darin, die Aufregung und die Freude bei seiner Arbeit zu behalten, sich die dafür notwendige Unsicherheit zu erlauben (vgl. Staemmler 1994) und auf diese Weise selbst in der Arbeit lebendig zu bleiben.

Als ein Beispiel für diese Haltung möchte ich Regine Lückels für mich beeindruckende Schilderung ihrer gestalttherapeutischen Arbeit mit Märchen erwähnen. Sie sagt: "Der Gewinn für den Klienten besteht darin zu erfahren, wo er jetzt steht. Von hier aus kann er weitergehen in eine Richtung, die ihm gemäß ist" (1982, 16); und sie beschreibt, wie sie sich in ihrer konkreten Arbeit durch den Bezug auf Beissers Theorie selbst unterstützt, ihre gestalttherapeutische Haltung auch in kritischen Situationen nicht aufzugeben. Sie berichtet von einer Klientin, die über eine Identifikation mit Schneewittchen eine große Mutlosigkeit erlebt hatte und dementsprechend in körperliche Bewegungslosigkeit verfallen war: "Es fiel mir nicht leicht, Martina nun dort stehen zu lassen, wo sie ist, sie nicht vorwärts zu locken in eine Bewegung hinein, die ihr noch nicht angemessen ist. Ich mußte mir bewußt vor Augen führen, daß jede Veränderung nur dort einsetzen kann, wo der tatsächliche Ausgangsort ist … und dies war im Augenblick Schneewittchens/Martinas Bewegungsunfähigkeit" (a.a.O., 22).

In diesen Momenten, in denen im Klienten vielleicht lange ›nichts‹ vorgeht, lebt der Gestalttherapeut von dem Vertrauen in die Gültigkeit von Beissers Theorie und der dazu gehörigen Entdeckung von Perls: Dieses ›Nichts‹ ist etwas. Auch dieses ›Nichts‹ und das mit ihm oft verbundene Gefühl der inneren Leere darf sein; es muß seinen Platz bekommen, damit es sich verändern kann. Jedesmal, wenn diese Veränderung eintritt, z.B. in Form einer plötzlich eintretenden, heftigen inneren Bewegung verbunden mit intensiven Gefühlen, bestätigt sich Beissers Theorie in der Praxis wieder neu. Jede Erfahrung dieser Art, die wir mit unseren KlientInnen machen, läßt uns TherapeutInnen sicherer und mutiger werden im Umgang mit diesem Phänomen. Wenn wir Perls' Anregung folgen, uns auf das Offensichtliche (vgl. 1974, 62), -hörbare und -spürbare beziehen und unseren KlientInnen verbal, nonverbal und tonal zurückmelden, wie wir sie wahrnehmen und erleben, machen wir deutlich, was ist. Dadurch helfen wir ihnen, mehr Bewußtheit von sich zu bekommen.

Natürlich neigen unsere KlientInnen (wie die meisten Menschen) dazu, diese Bewußtheit zu vermeiden, wenn das, was im Moment in ihnen vorgeht, unangenehm ist. Sie träumen dann lieber davon, wie sie sein möchten, oder quälen sich mit Selbstvorwürfen dafür, daß sie noch nicht so sind, wie sie gerne wären. Beissers Theorie hilft uns TherapeutInnen in solchen Situationen, unsere gestalttherapeutische Einstellung aufrechtzuerhalten und das, was der Klient oder die Klientin gerade erlebt, zu akzeptieren und als wesentliche Voraussetzung seiner bzw. ihrer Veränderung zu schätzen. Mit dieser Haltung geben wir unseren KlientInnen eine entscheidende Unterstützung dabei, zu werden, wie sie sind, und sich auf diese Weise zu verändern.

"Als ich aufhörte, zu kämpfen und an einer Änderung zu arbeiten, als ich Wege fand zu akzeptieren, wie ich bereits geworden war, entdeckte ich, daß ich mich gerade dadurch veränderte. Anstatt mich behindert und unzulänglich zu fühlen, wie ich befürchtet hatte, fühlte ich mich wieder ganz. Ich erlebte ein Wohlbefinden und eine Fülle, die ich zuvor nicht gekannt hatte" (Beisser, in seiner Autobiographie "Wozu brauche ich Flügel? Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter").

 

Literaturangaben

Bock, W.; Staemmler, F.-M.: Gestalttherapeutische "Live"-Supervision, in: Freiler, C.; Ventouratou-Schmetterer, D.; Reiner-Lawugger, C.; Bösel, R. (Hg.): 100 Jahre Fritz Perls, Wien, 1994

Clarkson, P.; Mackewn, J.: Frederick S. Perls und die Gestalttherapie, Köln, 1995

Farau, A.; Cohn, R.C.: Gelebte Geschichte der Psychotherapie - Zwei Perspektiven, Stuttgart, 1984

Lückel, R.: Gestalttherapeutische und integrative Arbeit mit Märchen, in: Integrative Therapie, Beiheft l, Paderborn, 1982

Perls, F.S.: Gestalt-Therapie in Aktion, Stuttgart, 1974

Perls, F.S.: Gestalt-Wahrnehmung - Verworfenes und Wiedergefundenes aus meiner Mülltonne, Frankfurt, 1981

Petzold, H.: Gestalttherapie und Psychodrama, Kassel, 1973

Petzold, H.: Die Gestalttherapie von Fritz Perls, Lore Perls und Paul Goodman, in: Integrative Therapie, 1984, 10/1-2, 5-72

Polster, E.; Polster, M.: Gestalttherapie - Theorie und Praxis der integrativen Gestalttherapie, München, 1975 (neue Ausgabe: Wuppertal, 2001)

Staemmler, B.: Theoretische Grundlagen und Konzepte der Gestalttherapie - unveröffentlichte Dissertation, Würzburg, 1979

Staemmler, F.-M.: Kultivierte Unsicherheit - Gedanken zu einer gestalttherapeutischen Haltung, Gestalt-Publikationen, Heft 17, Würzburg, 1994

Staemmler, F.-M.: Der leere Stuhl - Ein Beitrag zur Technik der Gestalttherapie, München, 1995

Süss, H.J.; Martin, K.: Gestalttherapie, in: Pongratz, L. (Hg.): Handbuch der Psychologie, Bd. 8/2, Göttingen, 1978

Yontef, G. M.: Awareness, Dialogue and Process - Essays on Gestalt Therapy, Highland/N.Y., 1993

 

Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

Werner Bock

 Werner Bock

geb.1948, Diplompsychologe und Psychologischer Psychotherapeut, gründete zusammen mit Frank-M. Staemmler das "Zentrum für Gestalttherapie" in Würzburg. Er ist dort seit 1976 als Gestalttherapeut, Ausbilder in Gestalttherapie und Supervisor tätig.

Sein Interesse gilt der Weiterentwicklung der klassischen Gestalttherapie in Theorie und Praxis. Besondere Schwerpunkte sind dabei die Prozessorientierung der Gestalttherapie, humorvolle Provokation und konsequente Konfrontation.

Er ist Verfasser verschiedener Artikel und Co-Autor des Buches: "Ganzheitliche Veränderung in der Gestalttherapie" (Edition des Gestalt-Instituts Köln im Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1998).

Seine letzte Veröffentlichung ist ein Beitrag zur Ideengeschichte der Gestalttherapie: "Der Glanz in den Augen - Wilhelm Reich, ein Wegbereiter der Gestalttherapie" (in: B. Bocian u. F.-M. Staemmler (Hg.), Gestalttherapie und Psychoanalyse; Verlag Vandenhoek u. Ruprecht, Göttingen 2000).

Den nebenstehenden Beitrag haben wir in die deutsche Ausgabe von Arnold R. Beissers Autobiographie "Wozu brauche ich Flügel? Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter" aufgenommen, die in der Edition des Gestalt-Instituts Köln im Peter Hammer Verlag erschienen ist. In diesem Buch finden Sie u.a. auch Beissers Klassiker der Gestalttherapie: "Die paradoxe Theorie der Veränderung".

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