Gestaltkritik - Zeitschrift für Gestalttherapie

Stefan Blankertz

Gestalttherapeut - Beruf oder Rolle?


Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

 

Themenschwerpunkte:

Gestaltkritk verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus "Gestaltkritik" (Heft 2-1996):

 

Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

  Foto: Stefan BlankertzStefan Blankertz

 

 

Stefan Blankertz

Gestalttherapeut - Beruf oder Rolle?

Personal - Was war der Gestaltist Paul Goodman?

Ein »Werkleben«. - Goodman: ein unbequemer Zeitgenosse, eine unbequeme Hinterlassenschaft für die Gestalttherapie. An seiner Person scheiden sich, mehr als zwanzig Jahre nach seinem Tod und über vierzig Jahre nach Erscheinen des Buches »Gestalt Therapy«, die Geister: Für die einen ist er bloß der Mitautor jenes Buches und keiner weiteren Erwähnung wert. Für die anderen ist er heute mehr denn je der Garant für eine nicht-angepaßte, politisch und theoretisch fundierte Richtung in der Psychotherapie.

Wer ist die Person Paul Goodman? Was war er für eine Person, ehe er die Gestalttherapie mitbegründete? Und was für eine, als er dann zum »Star« des anti-autoritären Bürgerprotestes wurde - und nach dem Abklingen der Protestbewegung auf den Misthaufen der Geschichte geworfen werden sollte? War er, wie manche es gern verstehen möchten, einfach ein erfolgloser Gossendichter und Querkopf, dessen wirres Gerede nur in einer wirren Zeit kurze Aufmerksamkeit erregen konnte? Oder gibt es einen roten Faden, der sein Leben und sein Werk durchzieht und auch heute noch interessant macht?

Paul Goodman, jüdischer Abstammung, wurde 1911 in Greenwich Village, New York, geboren. Von den Eltern, von Beruf Schausteller, vernachlässigt, wuchs er unter der Sorge seiner Schwester Alice und verschiedener Tanten auf. Sein Bruder Percival (Jahrgang 1904) hatte sich früh selbständig gemacht und in Paris an der Ecole des Beaux Arts studiert. Er wurde Architekt.

Paul mußte sich sein Studium der Literatur und Philosophie, das er ab 1931 in Chicago zu absolvieren begann, durch Jobben verdienen. Nebenbei eignete er sich autodidaktisch Deutsch und Griechisch an; Latein und Französisch hatte er bereits auf der Schule gelernt. In diese Zeit fallen seine ersten literarischen Arbeiten von bleibendem Wert, die er zum Teil in kleinen Avantgarde-Magazinen veröffentlichen konnte.

Nachdem Goodman mit der - unveröffentlichten - Arbeit »The Formal Analysis of Poems« und mündlichen Prüfungen u.a. über Erkenntnistheorie und Kants Ästhetik zum Ph.D. promoviert hatte und an der University of Chicago einen Lehrerposten antrat, schien seine Karriere als literarisch ambitionierter Akademiker festzustehen. Thema seines Unterrichts war Shakespeare. Die Methode der Interpretation war die sich auf Aristoteles stützende immanente (»formale«) Analyse der »Chicago School of Critics«, aus der Goodman entstammte.

Allerdings verlor Goodman seine Stelle 1940, weil er ein offenes Ausleben seiner Homosexualität sowohl als sein Recht als auch als pädagogisch sinnvoll proklamierte. Aus dem gleichen Grund mußte er seine danach angetretene Tätigkeit an der Manumit School und am Black Mountain College aufgeben, beides renommierte »alternative« Institutionen. Zur selben Zeit wurde seine Kurzgeschichte

»A Cerimonial« (1940) gedruckt, die in literarischen Kreisen für Aufsehen sorgte. Heute zählt Susan Sontag Goodmans frühe Kurzgeschichten zur wichtigsten Prosa der nordamerikanischen Literatur.

Da ihm der Zugang zu den akademischen Institutionen versperrt war, lebte Goodman weiterhin von Gelegenheitsjobs und sein Einkommen lag nur knapp über dem Existenzminimum. Seine Bücher wurden von kleinen Verlagen, die keine Honorare zahlen konnten, in geringen Auflagen gedruckt. Obwohl er unter den Literaten ein Geheimtip war, verkauften sich seine Bücher nur schlecht. 1941 erschien »Stop Light: 5 Dance Poems«, fünf Bühnenstücke, für die er die Form des japanischen »Noh« benutzte. Das war während des Krieges - kurz nach Pearl Harbor - nicht sehr populär. Ein Jahr später, 1942, schrieb er »Don Juan, or: The Continuum of the Libido«. Dieses ungewöhnliche, in kein literarisches Genre einzuordnende Buch wiesen alle Verleger aufgrund der offenen Behandlung der Sexualität zurück; es erschien vollständig erst nach Goodmans Tod. Indem er dieses »museum of the libido« (so seine eigene Charakterisierung des Buches) schreib, lehnte er Anpassung an seine Reputation als »Avantgarde-Phänomen« und Kompromiß mit der Kulturindustrie radikal ab. Offenheit der Sprache empfand er als Voraussetzung für gute Literatur. Er gebrauchte sexuelle Themen jedoch nie als »unterhaltsame Provokation«, sondern im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit den »facts of life«, die den Leser mit einbezog.

Aus den Elementen Literatur, akademische Bildung und Erfahrung als Deklassierter entwickelte sich bei Goodman ein Denken und ein Stil von bemerkenswerter Intensität. Schon die Kurzgeschichte »A Cerimonial« (1940) und der Roman »The Grand Piano« (1941) zeigten das Wesen der Kritik: gegen die Institutionen und gegen die Unbekümmertheit der Menschen, die sich von Institutionen ein konventionelles Leben aufzwingen lassen. »A Cerimonial« beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Werbesprache, ausgehend von einer gegen die Werbung gerichteten direkten Aktion. In »The Grand Piano« steht ein New Yorker Junge im Mittelpunkt des Geschehens, der sich um die Schulpflicht herumdrückt. »Die Stadt als Schule. Zurück zu Sokrates.«

Gegen Ende des Jahres 1944 sollte Goodman zum Wehrdienst eingezogen werden. Seine strikte Weigerung brachte ihn in die Gefahr, ins Gefängnis zu kommen. (Er wurde dann aber doch ausgemustert.) Die Frage, ob ein Revolutionär den Wehrdienst in jedem Falle verweigern sollte, oder das »kleinere Übel« zu wählen habe, war unter den progressiven Literaten und radikalen Linken heftig umstritten. Bereits während des Krieges sah Goodman den deutschen Faschismus nicht als »Natur«-Katastrophe an, sondern als Folge auch der Vorkriegspolitik der Vereinigten Staaten. Der Mehrheit des amerikanischen Volkes war bis zum Kriegsausbruch dies zumindest vage bekannt. Die »Isolationisten« vermochten jedoch keine wirklichkeitsmächtige Politik zu entwickelt. Dieser Zusammenhang wurde im Krieg auch und gerade von den Linken vergessen, verdrängt und seine Benennung stigmatisiert.

Gegen die Logik vom »kleineren Übel« lautete Goodmans Argumentation: Wenn es in einer konkreten Situation nur die Wahl zwischen einem »größeren« und einem »kleineren« Übel gäbe, hätten wir, die Bürger, politisch etwas falsch gemacht. Anstatt uns der Wahl zu unterwerfen, müßten wir den Fehler ausfindig machen und mit aller Kraft beseitigen. Auf den Weltkrieg bezogen hieß das für Goodman: Anstatt zwischen faschistischem Terror, demokratischem Imperialismus und totalitärem Stalinismus zu wählen und dabei - was immer man wählte - selbst zum Militaristen zu werden, forderte er nun erst recht zum konsequenten Pazifismus auf.

Diese Überlegung fand Verständnis bei den Anarchisten. Die literarischen Avantgarde-Blätter und die marxistisch orientierten Zeitschriften, die bis dahin einige seiner Arbeiten veröffentlich hatten, strichen Goodman allerdings nun aus dem Programm.

Goodmans Reflexionen über die Pflicht zur Wehrdienstverweigerung, gegen die Idee der Koalition mit dem kleineren Übel und über die Umstände, unter denen man Gefängnisstrafen in Kauf nehmen muß, bildeten sein erstes weder literarisches noch literaturkritisches Werk, »The May Pamphlet« (1945). In diese Zeit fallen auch eine Reihe von psychologisch-politischen Essays, in denen Goodman eine »linke« Freud-Interpretation über Wilhelm Reich hinaus versuchte.

Nach dem Krieg setzte Goodman seine literarische Produktion fort, aber veröffentlichte daneben immer mehr politische, soziologische und psychologische Arbeiten. Persönlich befand er sich dabei in einer Sackgasse: Seine politischen Ansichten und sein bisexueller Lebensstil machten ihn zu einem Aussätzigen.

Die Wende in seinem Leben begann, als er 1947 Lore und Fritz Perls traf. Die beiden hatten Goodmans psychologisch-politischen Essays im südafrikanischen Exil gelesen und beschlossen, ihn an ihrem Projekt der Gründung einer neuen psychotherapeutischen Richtung zu beteiligen. Goodman arbeitete an dem Buch »Gestalt Therapy« mit, war Mitbegründer des »Institute for Gestalt Therapy« in New York und arbeitete einige Jahre als Psychotherapeut. Zum ersten Mal verdiente er ein wenig mehr, als unbedingt zum Leben notwendig ist.

Gleichwohl nannte Goodman seine Tagebuchnotizen aus den Jahren 1955 bis 1960 »Five Years: thoughts during a useless time«. Literarische Anerkennung blieb ihm weiterhin versagt, seine literarische Produktion verebbte, politische Veränderungen erschienen als aberwitzige Utopie.

Der Titel jedoch ist falsch. Goodmans Veröffentlichungen, seine Vorträge in kleinstem Kreise, seine Diskussionen, seine Unbeugsamkeit und sein kreatives Engagement - alles das war Teil der Vorbereitung auf das Aufbegehren der Jugend und vieler Bürger in den 60er Jahren.

Seit 1957 hatte Goodman ein Manuskript mit dem Titel »Growing Up Absurd: The Problems of Youth in the Organized Society« in der Schublade. Eine rasante soziologische Analyse der Schwierigkeiten, in einer perfekt sozialtechnisch organisierten Gesellschaft aufzuwachsen. Als das Buch 1960 endlich einen Verleger gefunden hatte, wurde es - unerwartet - zu einem Bestseller. Die rebellischen Jugendlichen merkten, daß hier nicht einer »über« sie schrieb, sondern in ihrem Namen. Und die anderen merkten, daß sie, wollten sie die Rebellion verstehen, hier und nur hier Aufschluß erhalten konnten.

Das »May Pamphlet« wurde 1962 unter dem Titel »Drawing the Line« zusammen mit aktuellen Aufsätzen zum Niedergang der Demokratie in der Zeit von Kennedys »demokratischem Faschismus« wieder aufgelegt. Es zeigte sich, daß es den Nagel auf den Kopf traf: Das war das Manifest der Jugendrebellion, nämlich die Aufforderung zur Verweigerung der sozialen Selbstintegrierung, die die gesellschaftlichen Repressionen hatte unsichtbar werden lassen; besonders zur Verweigerung der Kooperation mit allem, was mit Krieg zusammenhängt, sowie die Forderung nach Aufbau einer anderen, besseren Gesellschaft hier und jetzt.

Zehn Jahre lang war Goodman nun eine »Berühmtheit«, gefragt sowohl bei den Rebellen als auch beim Establishment. Er veröffentlichte zahlreiche Texte zu soziologischen, politischen und psychologischen Themen, hielt Vorträge, trat in Rundfunk und Fernsehen auf, demonstrierte quer durch die USA, initiierte eine Bewegung gegen das etablierte Schulsystem und zur Gründung staats-unabhängiger Alternativschulen.

Seiner literarischen Neigung versagte Paul Goodman sich fast vollständig. Eine Ausnahme bildet der Gedicht-Zyklus »North Percy« (1968), in der Trauer um seinen Sohn gedichtet. Der Zyklus gilt eine der bewegendsten Elegien der nordamerikanischen Literatur.

Ende der 60er Jahre enttäuschte Goodman die Wendung der rebellischen Jugendlichen zum Leninismus. Eine zusammenfassende Analyse der amerikanischen Gesellschaft und der Jugendrebellion lieferte er in »New Reformation: Notes of a Neolithic Conservative« (1970). Sein letztes Werk ist »Speaking and Language: Defence of Poetry« (1971), in welchem er sich mit linguistischen Theorien und deren politischen Implikationen auseinandersetzte. Goodman bereitete selbst noch die Ausgabe »Collected Poems« vor und verfaßte den philosophischen Essay »Finite Experience« als Begleittext zur Sammlung seiner »Little Prayers«, starb aber vor dem Erscheinen am 2. August 1972 in New York.

 

Reflexion - Therapeut: Beruf oder Rolle?

Über Beruf zu reden, bedeutet, darüber nachzudenken, warum es keinen Beruf gibt. - Unter diesem Motto erschließt sich Paul Goodmans Auffassung von Beruf. Mit der Rekonstruktion der Auffassung Goodmans von Beruf möchte ich die Lücke schließen, die entsteht, weil selten genug kritisch reflektiert wird, daß »Therapeut« ein Berufsstand ist. Selten genug gibt es zwischen den beiden Polen eines Ethos' selbstloser Helfer und engen berufsständischen, meist nur abrechnungstechnischen Fragen Zeit, über den Beruf als Beruf zu reden.

Ich werde nun zuerst die kritische Rekonstruktion des Begriffs vom Beruf vorlegen, die ich aus Goodmans letzter sozialkritischer Schrift - »New Reformation« von 1970 - gelernt habe. Ich schließe mit von Goodmans Analyse angeregten Überlegungen zum affirmativen Charakter einer jeden berufspolitischen Diskussion unter Gestalttherapeuten, die den bestehenden Rahmen beruflicher Entfaltung zum Ausgangspunkt nimmt.

»New Reformation: Notes of a Neolithic Conservative« gliedert sich in drei Teile: Sciences & Professions - Wissenschaft und Beruf: Dieser Teil enthält Goodmans humanistische Kritik an der zentralisierten, wert-losen Wissenschaft und Technologie; Education of the Young - Erziehung der Jugend: Dieser Teil enthält Goodmans pädagogische Kritik an der zentralisierten, geisttötenden öffentlichen Schule; und Legitimacy - Legitimität: Dieser Teil enthält Goodmans politische Kritik an der zentralisierten, durch den einzelnen nicht zu beeinflussenden Gesellschaft.

Zunächst scheint es, als stünden die drei Teile von »New Reformation« zufällig nebeneinander, weil Goodman sich in den 60er Jahren auf diesen drei Gebieten der Kritik profiliert hat. Indessen zeigt der Versuch, die Zusammengehörigkeit der drei Teile zu verstehen, daß sie in ihrer inneren Logik - unter anderem - einen Beitrag zu der Frage leisten, warum es keinen Beruf gibt.

Als 1970, zwei Jahre vor Goodmans Tod, »New Reformation« erschien, hatte Goodman den Zenit seines öffentlichen Einflusses gerade überschritten. Er versuchte eine Gesamtinterpretation des Bürger- und Jugendprotestes der 60er Jahre, um die ursprünglichen Impulse der Spontaneität und des Charisma zu verteidigen:

n zu verteidigen gegen den Trend zur - mit Max Weber gesprochen - »Bürokratisierung« der Bewegung

n zu verteidigen gegen den Trend zum sektiererisch-dogmatischen Marxismus einerseits und

n zu verteidigen gegen den Trend zum systemkonformen »Marsch durch die Institutionen« andererseits.

Schon der Titel mißlang Goodman. Der positive Anschluß an die »Reformation« ist erst in einschränkender Verbindung mit dem Untertitel - »Notizen eines Steinzeitkonservativen« - zu verstehen: Nur die Richtung der Reformation, die sich am ursprünglichen mittelalterlich-katholischen Christentum orientierte, konnte für den Thomisten Goodman Vorbild sein. Gleichwohl enthielt der Titel fast mehr Wahrheit, als der Autor beabsichtigte. Denn in der Tat wurden die Protestierer der 1960er Jahre ebenso wie die Protestanten des 16. Jahrhunderts zu unfreiwilligen Vollstreckern genau derjenigen Veränderungen, die notwendig waren, um dem Herrschaftssystem über eine innere Krise hinwegzuhelfen und es zu modernisieren. Beispielsweise bedeutete im 16. Jahrhundert die Schwächung der - zugegebenermaßen deformierten - geistlichen Autorität weniger die erhoffte Befreiung als vielmehr das Stattgeben für die sich formierende staatliche Herrschaft. Und beispielsweise bedeutete in den 1960er Jahren der Angriff auf die - zugegebenermaßen mißbrauchte - Autonomie der deformierten professionals weniger eine basisdemokratische Errungenschaft als vielmehr eine Stärkung von verwaltungsdemokratischer Gremienherrschaft. Goodmans gesamtes Buch ist gekennzeichnet von dem Widerspruch, eine Hoffnung auf die Protestbewegung zu formulieren, deren Richtung sich schon gegen seine Intentionen verändert hatte.

»New Reformation« 1: Professionalismus. - Im ersten Teil von »New Reformation«: Sciences and Professions ging Goodman aus von dem damaligen Unbehagen über und dem Protest gegen Wissenschaftler und andere professionals wie Lehrer, Ärzte, Therapeuten, Ingenieure usw., die Erfolg nur daran messen, ob ein Problem technisch, formal und instrumentell gelöst ist, nicht, ob es im Sinne der betroffenen Menschen gemeistert wurde. Das Unbehagen teilte Goodman und am Protest beteiligte er sich aktiv. Dennoch stimmte er den gängigen Schlußfolgerungen und den üblichen Forderungen nicht zu. Gängig und üblich war - und ist immer noch - die Vorstellung, daß die Wertfreiheit der professionals durch gesellschaftliche, ethisch motivierte Kontrolle begrenzt, überwacht und in die richtige, humane Richtung dirigiert werden sollte.

Für Goodman dagegen war die ethische Bezogenheit auf den Menschen Teil der Sache der professionals. Der Beruf des Arztes beispielsweise ist es, Kranke zu heilen. Wird der Arzt zum Vollstrecker eines mechanistischen Medizin- und Pharmaziebetriebes, macht er einen Job, in welchem er seine Rolle als Arzt spielt, übt aber keinen Beruf aus. Die Zweck- und Wertfreiheit ist Teil eines Entfremdungsprozesses, in welchem der Beruf sich aufzulösen beginnt.

Dies läßt sich Goodman zufolge im Verhalten der professionals - in ihren psychischen Deformationen - nachweisen. Wenn nun diesem deformierten Verhalten der auf Jobausübung reduzierten professionals die sogenannte »soziale Kontrolle« entgegengesetzt wird, schreibt die Kritik den Zustand der Entfremdung fest. Psychotherapeutisch gesehen ist das die klassische Situation der Behandlung des Symptoms durch Unterdrückung, die bekanntlich stets mit der Verschiebung zu neuen Symptomen zu rechnen hat. Politisch gesehen ist es die komplementäre Verstärkung des Bestehenden mittels Kritik: Die Kritik bringt genau das hervor, was das System zur eigenen Stabilisierung braucht.

Goodman begegnete dem verbreiteten, resignierenden Zweifel, daß es ein in der Sache des Berufs intrinsisch enthaltene Ethos gebe, mit folgendem Argument: Wenn es ein solches in der Sache des Berufs intrinsisch enthaltenes Ethos nicht gäbe, müßte angenommen werden, daß tatsächlich Technik wertfrei sei und man sich gleichsam »separat« von ihr über Sinn und Zweck verständigen könne. Der Vollzug der Technik und die Setzung von Sinn wäre überdies arbeitsteilig getrennt in die Gruppe der Techniker und die Gruppe der Kontrolleure. Diejenigen, die in dieser Arbeitsteilung dann als Kontrolleure und Sachwalter der Menschlichkeit sich sehen, müßten jedoch selbst ein Berufsethos - nämlich die Bezogenheit auf humane Zielsetzungen - in Anspruch nehmen, ein Berufsethos, das sie den anderen professionals absprechen.

Eine vernünftige Welt ohne Entfremdung kann Goodman zufolge nicht angestrebt werden, wenn die Kritik das Ergebnis der Entfremdung, die widervernünftige Spaltung der Vernunft in Technik und Ethos, festschreibt und sogar noch überhöht durch Arbeitsteilung.

»New Reformation« 2: Erziehung. - Der zweite Teil des Buches »New Reformation«: Education of the Young setzt bei der Frage der Entfremdung ein. Als Gestalttherapeut sah Goodman die falsche Auffassung vom Beruf sowohl unter den angepaßten als auch unter den rebellischen Jugendlichen begründet in konkretem Tun - in der langewährenden Erfahrung der Schule. Das staatlich monopolisierte Schul-, Bildungs- und Wissenschaftswesen läßt nach Goodmans Analyse als Herrschaftssystem nur Rollenspiel zu. Es verhindert, daß die Sache und ihre intrinsischen Werte zur Geltung kommen.

Goodmans Schulkritik interpretiere ich als Paradigma für die Analyse einer Institution, die mit Zwang arbeitet. Auch Therapeuten befinden sich oft in der Situation, in Zwangs-Institutionen eingebunden zu werden - zum Beispiel in der Schule, in der Psychiatrie, im Justiz- und Gefängniswesen, in der Sozialarbeit, in der »Suchtprävention«.

Die Schulpflicht und das Berechtigungswesen überlagern die Arbeit an dem, was die Sache verlangt und erzwingen eine Arbeit an dem, was bestenfalls die Sozialtechniker geplant und was schlimmstenfalls rein zufällig entsteht. Die Lehrer werden einerseits als Unterrichtsbeamte zu weisungsgebundenen Befehlsempfängern, die über keine berufstätige Autonomie verfügen; andererseits werden die Lehrer durch die Schülerinteressen auf die effektive Absolvierung des Pensums verpflichtet, eine Effektivität, die schon darum unmöglich ist, weil die Schüler in Reaktion auf den Zwang zu Widersetzlichkeit neigen. Dabei sind die Schülerinteressen nicht echte eigene Interessen der Schüler, sondern selbst wiederum Ergebnis des äußeren Zwangs, auf den sie nur reagieren.

Diesem Verhängnis der Schule ist nicht durch Reform der Inhalte und Methoden zu begegnen. Dies sage ich besonders mit Hinblick auf die gegenwärtige »Gestaltpädagogik«, die - wie mir oft scheinen will - nun endlich einen Weg gefunden zu haben meint, Gestalttherapeuten mit dem System versöhnen zu können. Diese Versöhnung ist eine schlimme Illusion, denn es ist die Struktur der Schule als staatlicher Institution, es ist ihr Zwangs- und Monopolcharakter, der sie das Entstehen von nichtentfremdeten Berufen verhindern läßt. Wenn Zensuren-Druck durch aufgezwungene psychotherapeutische Zuwendung ersetzt wird, ist dies keine Humanisierung der Schule, sondern ihre Verschärfung: ihre Ausdehnung auf die Kolonialisierung der innerpsychischen Bereiche. Oder wenn die Deformierung eines Lehrers durch psychotherapeutische Methoden »wegrationalisiert« wird, ist dies kein Beitrag zur Wiederherstellung des Lehrerberufs, sondern zum Ausputzen vom heilsamen »Sand im Getriebe«. Denn: In der Deformierung drückt sich noch aus, daß der Lehrer am System leidet und dieses Leiden ist ihm einzig geblieben, um seine Autonomie, seine Subjektivität und seine Integrität auszudrücken.

»New Reformation« 3: Legitimität. - Die Schule ist selbst Teil eines Gesamtsystems, des Staates. Dieses Gesamtsystem nahm Goodman im 3. Teil von »New Reformation« - Legitimacy - in den Blick. Das Verhängnis der Schule stellt sich heraus als nur ein Fall unter vielen Fällen des Verhängnisses verstaatlichter Gesellschaften. Da der Staat nicht Bund ist, nicht Gilde, nicht freie Assoziation, da der Staat nicht aus Übereinkunft oder Vertrag entsteht, sondern aus Gewalt, kann staatlich Organisiertes keine Autonomie enthalten. Die Organisation autonom handelnder Menschen muß sich fortgesetzt aus freiem Übereinkommen erneuern. Jede staatliche Organisation überformt eventuell intendierte Autonomie durch Teilhabe am Gewaltzusammenhang. Der Staat gewährt Autonomie wie die spielende Katze der Maus Bewegungsfreiheit läßt.

Diese Aussage, die wohl jeder für diktatorische Systeme gelten ließe, macht Goodman auch und gerade für das demokratische Amerika geltend. Der Gewaltzusammenhang ist aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der meisten Bürger entfernt und kann darum um so unbeschadeter vollzogen werden. Die Lähmung von Initiative und Engagement, die der Gewaltzusammenhang nach sich zieht, erscheint dann als naturgegeben, als im Trend der Geschichte liegend, als im Menschen begründet, als Fehler des einzelnen. Goodmans gestalttherapeutische Aussagen beziehen sich zum großen Teil auf die Analyse der krankmachenden Auswirkungen, die der versteckte Gewaltzusammenhang auf das Individuum hat.

Das Geheimnis des demokratischen Gewaltzusammenhangs ist Monopolisierung und Zentralisierung. Auf der Angebotsseite machen Monopolisierung und Zentralisierung aus den autonomen professionals Befehlsempfänger. Aus Unabhängigkeit wird Unterwürfigkeit, aus Stolz wird Ängstlichkeit, aus der Berufsehre wird Jobmentalität. Aus Berufstätigen wird Personal. Auf der Nachfrageseite kreieren Monopolisierung und Zentralisierung falsche Interessen. Wer - um im Bereich der Ausbildung zu bleiben - einen unter das Verhängnis geratenen Beruf auszuüben anstrebt, orientiert sich praktischerweise nicht an den Erfordernissen, die sich in der Aneignung und neu zu erarbeitenden eigenen Interpretation des betreffenden Berufs ergeben, sondern an der Erreichung von Diplomen, Lizenzen, Approbationen, Zulassungen. Diese Orientierung an den willkürlich von außen gesetzten Regeln produziert selbst erneut die Nachfrage nach deformierten professionals, etwa als Lehrer, Ausbilder, Trainer. Denn man will schließlich den Abschluß erreichen oder die Zulassung erhalten, und darum verlangt man vom Ausbilder, daß er auf dem schnellsten und einfachsten Wege dahin führen möge.

Im Fall der Schule ist sowohl die Monopolisierung als auch ihr direkter Anteil am Gewaltzusammenhang noch relativ deutlich zu erkennen. Darum fügt sich die Pädagogik - einschließlich der modischen Gestaltpädagogik - ihrer ideologischen Rolle, solange sie sich, wie gegenwärtig, vehement dagegen sträubt, überhaupt die Staats- und Gewaltfrage zu diskutieren.

Mit der Schule hat der Staat eine gesellschaftliche Funktion okkupiert, sich selbst meist die einzige Lizenz zur Erfüllung der Funktion vorbehalten oder jedenfalls die strikte Kontrolle über ihre Erfüllung. Schon dieser Akt ist zweifellos ein Gewaltakt.

Ein zweiter offener Gewaltakt besteht in der Schulpflicht. Sie geht sogar über Monopolisierung hinaus,denn sie konstituiert einen Annahmezwang für eine Dienstleistung. Einen solchen Annahmezwang gibt es auch im Therapiebereich, z.B. bei der Zwangsbehandlung von »Schizophrenie« oder »Suchtkrankheiten« - beides eher Polizeibegriffe als Begriffe einer der Humanität verpflichteten Psychotherapie.

Der dritte, etwas verdecktere Gewaltakt ist die Finanzierung der Schule über Steuern. Aber ein wenig Nachdenken zeigt sofort, daß Steuern notwendigerweise einen Gewaltzusammenhang herstellen. Denn um freiwillige Beiträge handelt es sich offenbar nicht.

Neben der relativ offenen Monopolisierung und Zentralisierung des Schulsystems hat der moderne demokratische Staat im berufspolitischen Bereich nach Goodmans Einsicht (unter anderem) ein weiteres, sehr produktives Instrument geschaffen: Die professionals werden Reglementierungen unterworfen, die sie sich selbst gegeben haben. Dabei heißt »sich selbst gegeben«, daß eine zentrale Instanz der Vertretung geschaffen wird. Der Berufsverband erscheint noch als Organ der Freiwilligkeit und der beruflichen Autonomie, verändert aber sofort seine soziale Funktion: Er wird zu einem Zwangsverband im Rahmen der Verstaatlichung. Aus dem freiwilligen Verband wird ein lizensiertes Monopol, das die Mitglieder nicht vertritt, sondern kontrolliert, und insbesondere, das die Macht hat, nach willkürlichen Gesichtspunkten zu diskriminieren, sei es nach Geschlecht, Rasse, Religion, Kultur oder beruflicher Auffassung.

Goodman verstand seine Überlegungen als Erneuerung der anarchistischen Theorie. Der demokratischen Idee von Legitimierung durch formale Verfahren warf er vor, nur die Entscheidungen über die Lenkung der Gewalt verändert zu haben, nicht aber die Gewalt als gesellschaftliches Steuerungsinstrument zu reduzieren. Dagegen stellte er seine Idee von Autonomie, deren Existenz und Existenzmöglichkeit er an den professionals nachweisen zu können meinte, wenn auch in deformiertem Zustand. - Damit schließt sich der Kreis der Argumentation in »New Reformation«: Die Kritik an den professionals ist ihre Verteidigung.

Gestalttherapeutische Berufspolitik? - Mit dem Ende der Analyse von Goodmans Aussagen über den Beruf in »New Reformation« bin ich bei dem, was nach Goodman berufspolitisch von Gestalttherapeuten zu erwarten sein würde: ihren Status als autonome professionals so weit wie möglich zu bewahren und die Beteiligung am staatlichen Zwangszusammenhang so weit wie möglich zu verweigern. Die Einschränkung »so weit wie möglich« darf nicht als Hintertür für faule Kompromisse verstanden werden. Diese Einschränkung bezieht sich auf die Erkenntnis, daß es keinem Menschen möglich ist, die Maximalforderung zu realisieren, es sei denn durch Inkaufnahme des eigenen Todes. Goodman bewunderte Gandhis Haltung, Situationen zu definieren, in denen ihm das Weiterleben unmöglich sei, wenn nichts geändert würde - und genau diese Haltung Gandhis vermochte Veränderung in Gang zu setzen. Aber insgesamt bevorzugte Goodman eine »realistischere« Haltung. Er selbst nannte diese Haltung gern »praktisch«: Diese Haltung besteht darin, eine »Grenze der Kooperation mit dem System« zu ziehen und zwar dergestalt, daß das eigene Überleben gesichert ist, aber der Widerstand noch deutlich gespürt werden kann - gespürt werden kann sowohl vom Individuum als Opfer als auch vom System als Widersetzlichkeit.

In diesem Sinne möchte ich meine folgenden Bemerkungen verstanden wissen: Meine Bemerkungen zeigen auf, mit welchen sozialen Mechanismen das berufspolitische Handeln der Gestalttherapeuten gleichsam unmerklich in den Bann des Systems gezogen werden könnte. Es ist also eine theoretische Aufklärung, nicht unmittelbar Leitfaden für das Handeln.

Mit zwei Thesen mache ich darauf aufmerksam, wie die Formulierung berufspolitischer Ziele durch Gestalttherapeuten zur Anpassung ans System führt und damit zur Zerstörung der zentralen Intention der Gestalttherapie, wenn nicht eine kritische Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vorangeht.

n 1.These: Vor der Formulierung positiver berufspolitischer Zielsetzungen muß die Einsicht in die Deformation stehen. Beispiele für die Deformation: Anstelle von Beruf gibt es Streben nach Berufsständigkeit. Anstelle vom Erlernen des Berufs gibt es den Versuch der etablierten und organisierten Jobber, die Ausbildung zu reglementieren. Anstelle von Selbstverpflichtung gibt es den Ruf nach Approbation. Anstelle von Autonomie gibt es den Wunsch nach Kassenzulassung.

n 2. These: Vor der Formulierung positiver berufspolitische Zielsetzungen müssen die objektiven Bedeutungen der Deformation aufgeklärt werden. Ein paar Hinweise für objektive Bedeutungen der Deformation: Das Ziel der Reglementierung der Ausbildung ist nicht die Sicherung von deren Qualität. Denn Qualität wird nur durch wetteifernde Vielfalt gesichert, die durch die Reglementierung gerade ausschaltet wird. Das Ziel der Reglementierung ist das Heranzüchten neuer Jobber.

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Die Kritik an der Reglementierung gilt nur für monopolartige, staatliche Zulassungspraktiken, nicht für freie Mitgliedschaften. Es ist vollkommen in Ordnung, dem potentiellen Klienten eines Gestalttherapeuten zu versichern, daß ein DVG-Mitglied eine mindestens vierjährige Ausbildung mit etwa 1.400 Unterrichtsstunden absolviert hat. Das ist solange in Ordnung, wie die DVG nicht verhindern kann, daß im Nachbarhaus der autodidaktische Gestaltist Paul Goodman sein quacksalberisches Unwesen treibt, den die DVG natürlich nicht als Mitglied aufnehmen würde. Wer das Risiko für die Klienten minimieren will durch Zulassungsbeschränkungen, ist Agent der krankmachenden, entmündigenden Gesellschaft.

Das Ziel der Approbation ist nicht der Schutz vor Quacksalbern. Denn nur Aufklärung, Diskussion und Information schützt vor Quacksalberei. Das Ziel der Approbation ist es, etablierte Quacksalber gegen Kritik, Neuerung und Konkurrenz zu schützen, ihnen hohes und sicheres Einkommen, ein gutes Ansehen und ein bequemes Leben zu gewähren.

Es sei wiederholt, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Im Sinne der Senkung von Informationskosten kann es und sollte es Organisationen geben, die ihren eigenen Mitgliedern bestimmte Qualitätsstandards abverlangen, so daß der potentielle Klient sicher sein kann, daß Therapeuten mit einer bestimmten Organisationszugehörigkeit eine formal definierte Qualifikation besitzen. Eine ganz andere Sache ist es, wenn die betreffende Organisation ihre Standards nicht nur ihren freiwilligen Mitgliedern abverlangt und deren Klienten anbietet, sondern allen Therapeuten aufzwingt und allen Klienten aufnötigt. Diese Problematik verschärft sich dort, wo psychotherapeutische Interventionen mit Annahmezwang ausgestattet sind - in der Schule, in Gefängnissen, in bestimmten Bereichen der Sozialarbeit und in geschlossenen Anstalten. Das Argument, Kassenzulassung sei nötig, um auch für ärmere Schichten der Bevölkerung zugänglich zu sein, übersieht folgendes: Die Kassen sind selbst Ausdruck eines Wirtschaftssystems, dessen staatliche Steuerung die Scheidung in arm und reich produziert und reproduziert. Das Ziel der Kassenzulassung ist es, im Klassenkampf auf die Seite der Gewinner sich schlagen zu können, auf die Seite deren, die von der Staatstätigkeit profitieren, die die Mitmenschen ungestraft ausbeuten und bevormunden dürfen. Bei den Kassen gibt es keinen Zweifel: Sie sind Teil des staatlichen Regelsystems. Wäre es nicht an der Zeit, für die Entstaatlichung des Gesundheitswesens einzutreten?

Welches positive berufspolitische Programm sich aus den kritischen Einsichten ergibt, kann nur in einem kreativen Prozeß wechselseitiger Anpassung und Aggression festgestellt werden. Um anzudeuten, daß aus den kritischen Einsichten heraus tatsächlich eine positive Wendung möglich ist, möchte ich einen interessanten Gedanken zitieren, den ich bei Victor Chu gefunden habe. In einem Aufsatz unter dem Titel »Das Underdog-Phänomen: Über die Ängste von Psychotherapeuten« schreibt Victor Chu in der Zeitschrift »Gestalttherapie« 1988:

 

»Psychotherapie [ist] eigentlich ein Zweit- und Nebenberuf. [...] Dieses andere Verständnis von Therapie würde folgende Vorteile mit sich bringen: [Ich führe nur zwei der von Victor Chu genannten, in meinem Zusammenhang wichtigen Vorteile an:] Die finanzielle Abhängigkeit des Therapeuten und der therapeutischen Einrichtung von den [...] Krankenkassen verringert sich - eine Abhängigkeit, die sich oft negativ auf die eigentliche Therapie auswirkt. [...] Und: Finanziell unabhängige Therapeuten können die gesellschaftlichen Wurzeln psychischer Krankheiten mutiger, angstfreier und rücksichtsloser angreifen.«

 

Dies ist hoffentlich nicht der einzige Weg. Denn auch er ist eine Flucht: In der Flucht vor der Abhängigkeit vom System gibt man den an sich legitimen Anspruch auf Professionalität auf. Aber es könnte ein Weg sein.

Oder mit anderen Worten: Die Institutionalisierung der Psychoanalyse hat, wie Goodman sagte, deren kritischen Gehalt ausgetrieben. Dagegen rebellierte Goodman als Mitbegründer der Gestalttherapie. Soll Gestalttherapie einen andern Sinn haben, als ein weiterer Putzlappen im Zusammenspiel der systemkonformen Psychohygiene zu sein, so ist dies nur möglich, wenn die Gestalttherapeuten hinreichenden Widerstand gegen die Vereinnahmung durch das System leisten.

Zum Schluß dieses Kapitels über das Selbstverständnis der Gestalttherapie möchte ich in eigener Sache, sozusagen um den Status meiner Überlegungen auszudrücken, noch einmal an Victor Chus eben zitierten Aufsatz anknüpfen. Er endet mit der Aussage:

 

»Ich kann kein guter Gestalttherapeut sein, ohne zugleich Gestaltist zu sein.«

 

Dem habe ich nur hinzuzufügen: Du kannst nur Gestaltist bleiben, wenn du neben die psychologische auch die politische Aufklärung stellst, die Bereitschaft zur theoretischen Arbeit voraussetzt. Die Theoriefeinde sind die eigentlichen Konformisten.


Zum Autor:

DR.STEFAN BLANKERTZ

beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den philosophischen Grundlagen der Gestalttherapie. Vom Start unserer Gestaltausbildung "nach dem Kölner Modell" an hat er die theoretischen Teile der Ausbildung übernommen. Aus den Erfahrungen und Diskussionen ist das hier vorgestellte Buch entstanden. In den letzten Ausgaben der Gestaltkritik begannen wir mit einen Vorabdruck von Teilen des Buches, der gleichzeitig eine Einladung zur Diskussion an alle Leser über die Fragen der philosophischen, politischen und sozialen Dimension der Gestalttherapie ist. Zur Zeit beschäftigt sich Stefan Blankertz unter dem Arbeitstitel "Wenn der Mensch keine Zweifel hätte, wäre er ein Lurch" mit einer Kritik des postmodernen Irrationalismus.


Kurzinfo zu Stefan Blankertz Buch:

Stefan Blankertz

Gestalt begreifen

Ein Arbeitsbuch zur Gestalttherapie-Theorie

"Theoriefeinde sind die eigentlichen Konformisten", schrieb Stefan Blankertz 1990 in seinem Buch "Gestaltkritik". Hier legt er nun die Antwort auf die Frage vor, wie gestalttherapeutische Praxis und gesellschaftskritische Theorie miteinander verzahnt sein müssen, damit aus Gestalttherapeuten nicht Anpassungstechniker werden. Das Buch ist die Quintessenz aus 20 Jahren Studien zu Paul Goodman, dem Mitbegründer der Gestalttherapie, 15 Jahre Reflexion therapeutischer Theorie und 5 Jahren Erfahrung in der Ausbildung von Gestalttherapeuten. Wer einen systematischen Zugang zum (Selbst-)Verständnis der Gestalttherapie sucht, wird sich über unsere neue Veröffentlichung freuen!

160 Seiten, broschiert, 39.80 DM (Lieferung auf Rechnung, natürlich versandkostenfrei).

Bestellanschrift: gik-gestalttherapie@gmx.de

Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

 Audio-Cassetten mit Stefan Blankertz

Stefan Blankertz

Die Audiocassetten

Vorträge im Gestalt-Institut Köln

Daß der Beitrag von Paul Goodman, dem Mitbegründer der Gestalttherapie, im deutschen Sprachraum bekannt und gewürdigt worden ist, verdanken wir vor allem Stefan Blankertz, seinen Vorträgen, Artikeln und Büchern.

Tape 1:

Paul Goodman und die Gestalttherapie. Zwei Vorträge

Tape 2:

"Gestalt Therapy" durchkauen. Eine Einführung zum berühmt-berüchtigten Grundlagenwerk der Gestalttherapie von Perls-Hefferline-Goodman

Tape 3

Thomas von Aquin und die Gestalttherapie. Zwei Vorträge

Jede Audiocassette kostet 19,80 DM. Alle drei Cassetten zusammen erhalten Sie für 49,80 DM. Lieferung auf Rechnung, natürlich versandkostenfrei.

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GIK Gestalttherapie Institut Köln
GIK Gestalttherapie Institut Kassel
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Die Teilnehmer*innenbetreuung erfolgt durch unser GIK Büro Kassel.

GIK Büro Kassel
Hunrodstr. 11
34131 Kassel (Bad Wilhelmshöhe)

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(0800) GESTALT bzw. (0800) 4378258
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