Denken Sie, liebe Leserinnen und Leser auch manchmal, Sie müssen mal raus, an die Luft und in die Natur Was geschieht in uns, wenn oder bevor dieser Gedanke auftaucht? Welche unterschiedlichen Gefühle und Körperempfindungen nehmen wir wahr? Ist es vielleicht ein Empfinden, nicht tief genug zu atmen, welches in uns den Wunsch nach Luft entstehen lässt? Ist es das Empfinden von Anspannung oder Enge im Brustkorb, das ein Bedürfnis nach Weite und Bewegung weckt oder gibt es ein Körperempfinden von zu wenig Raum und ein Bedürfnis nach mehr Platz?
Als ich vor einigen Jahren eine Bewegungsform suchte, die für mich ein Ausgleich für längeres Sitzen am Schreibtisch sein konnte, begann ich mit dem "Walken". Ich wollte draußen sein, draußen in der Natur und mich großräumig bewegen. Es war eine Antwort auf angehaltene Bewegung und entstandene Starre in meiner Sitzhaltung vor dem Computer. Ich begann unter Muskelverspannungen zu leiden.
Ich nahm an einem Kurs teil und lernte, wie die Stöcke angefasst und wie Hände und Arme während des "Walkens" bewegt werden sollen. Die Trainerin erklärte die richtige Haltung von Schultern und Rücken beim Gehen und erzählte vom guten Trainingseffekt für Muskeln, Gelenke und Knochen. Mit regelmäßiger Pulskontrolle überprüften wir die optimale Belastung von Herz und Kreislauf. Als Physiotherapeutin war mir das alles nicht unvertraut. Diesmal war ich in der Teilnehmerinnenposition.
Regelmäßig lief ich nun in einer schnelleren Gangart im nahegelegenen Wald. Nach einer Weile bemerkte ich, dass ich nach meiner sogenannten Ausgleichsbetätigung unterschiedliche Wirkung in mir spürte. Obwohl ich das Tempo von Mal zu Mal nicht wesentlich variierte, auch nicht die zurückgelegte Wegstrecke, so fühlte ich mich manchmal nach dem Gehen froh und ganz bei mir - entspannt -, zu anderen Zeiten eher unruhig - mit Nackenverspannungen.
Diese unterschiedlichen Empfindungen interessierten mich. Ich merkte, wie ich immer wieder probierte, die erlernte Technik anzuwenden, wie ich versuchte, mich in diese Vorgaben und in das empfohlene Gehtempo hineinzupassen. Ähnlich einer Behandlung korrigierte und verbesserte ich mich. Mein Körperempfinden glich der beengenden Situation, wie ich sie am Beginn meines Bedürfnisses nach Bewegung erlebt hatte. Ich erkannte, dass meine sportliche Maßnahme an der Luft nicht automatisch die erhoffte Wirkung von Muskelentspannung hatte. Ich hatte nicht wirklich darauf geachtet, was ich spüre und empfinde.
Mit dieser Entdeckung wurde ich neugierig darauf, wie ich Gehen erlebe. Ich begann, auf Details zu achten, darauf, was und wie ich wahrnehme. Zum Beispiel: Wie bewegt sich mein Rücken beim Gehen? Wie spüre ich meine Muskeln, welche Art von Muskelspannung entsteht? Wie bewege und belaste ich meine Beingelenke? Wie bewegen sich meine Arme im Verhältnis zu meinen Beinen? Wie ist die Wirkung, wenn ich in unterschiedlicher Geschwindigkeit gehe?
Wie atme ich? Was und wie höre, rieche, sehe, taste ich, während ich gehe?
Wie nehme ich den (Wald)Boden unter meinen Füßen wahr? Wie berühre ich ihn und wie trägt er und berührt mich? Was denke und fühle ich dabei?
Ich erinnere mich, dass ich eine Weile meine Aufmerksamkeit ganz auf meine Fußgelenke und meine Fußsohle richtete. Darauf, wie ich das Gelenk bewege und den Fuß belaste während ich gehe. Dabei konnte ich entdecken, wie sich die Erde - der Boden unter meinen Füßen - anfühlt und wie ich mich darauf niederlasse.
Tragen und Getragen werden
Wir haben alle erfahren, wie es ist, getragen zu werden und jeder von uns verbindet unterschiedliche Empfindungen und Gefühle mit dem Erleben von "Getragensein". In einer sehr frühen Lebensphase, in der Krabbeln und Gehen, selbständiges Bewegen noch nicht entwickelt ist, in der noch keine Selbstversorgung möglich ist und wir als kleine Lebewesen noch nicht mitteilen können, was wir brauchen, ist eine Person für unser Überleben notwendig, die - ganz nonverbal - unsere "Sprache" versteht, die uns versorgen und tragen kann. In dieser Zeit machen wir erste Erfahrungen im Erleben von "Getragensein", der im Laufe des Lebens viele folgen.
Lebenserfahrungen hinterlassen Spuren in Körper und Seele. Das Empfinden von "Getragen- sein" und umgekehrt, die Fähigkeit zu "Tragen" kann als Körperempfinden in unseren Muskeln, in den Gelenken und in unserer Haltung spürbar werden, kann in Beziehung zwischen Menschen und in der Natur erlebt werden. Es zeigt, wie wir uns selbst und anderen Halt geben - berührt unsere Seele, wenn wir es fühlen und verbindet uns mit der Welt.
Wenn wir uns einmal der Seite des "Tragens" zuwenden, so können wir sie zunächst ganz funktionell betrachten: Nach den Gesetzen der Mechanik ist eine feste Basis notwendig, um ein Gewicht gegen die Anziehungskraft der Erde anzuheben. Wenn wir diese Sichtweise auf den Körper übertragen, dann achten wir vielleicht auf Körperhaltung beim Heben und überprüfen, wie optimale Kraftwirkung beim Tragen durch Muskelarbeit erreicht wird und wie die Bewegung möglichst gelenkschonend, ohne große Belastung durch Hebelwirkung ausgeführt wird. Auf diese Weise betrachtet gleicht Tragen mehr einem Transportieren. Die ganz individuellen Qualitäten des Tragens offenbaren sich in der jeweiligen Situation erst durch differenziertes Spüren von Körperempfindungen und durch Wahrnehmen der Gefühle. Tragen kann nun erfahren werden.
Die Mütter und Väter unter Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, und alle, die einmal ein Kind getragen haben, kennen sicherlich Unterschiede zwischen verschiedenen Möglichkeiten und Qualitäten des Tragens.
Ich erinnere mich gerade an die Zeit, als ich in meiner Praxis als Physiotherapeutin mit Säuglingen und Kleinkindern arbeitete. Die Babys wurden in der Regel von ihren Müttern gebracht. Meist wurden sie vom Arzt wegen Entwicklungsverzögerungen oder Haltungsauffälligkeiten an mich überwiesen.
Zu dieser Zeit war ich im letzten Teil meiner Weiterbildung in Reich'scher Körperarbeit angekommen und auf dem Weg, meine eher medizinische Arbeitsweise zu erweitern. Motorische Entwicklungsverzögerungen betrachtete ich nicht mehr ausschließlich körperlich. Meine Aufmerksamkeit begann sich darauf zu richten, was zwischen Mutter und Kind geschieht. Ich nahm mir Zeit. Wir probierten oft nur Weniges aus.
In kleinen Schritten studierte ich zum Beispiel die Wirkung von unterschiedlichem Tragen auf den Säugling. Manchmal beobachtete ich, in welcher Geschwindigkeit und wie das Baby hingelegt wird oder auf welche Weise die Mutter das Köpfchen des Kindes stützt. Sehr junge Säuglinge reagieren auf (schnelle) Lagewechsel und unsichere Kopfunterstützung oft mit Schreckreflexen - verkrampfen sich und beginnen zu weinen.
Meine Unterstützung galt häufig der Mutter, zum Beispiel eine Form der haltenden Berührung, des Tragens zu versuchen oder eine Geschwindigkeit für einen Lagewechsel zu finden, die dem Kind und der Mutter entsprach. Wie z. B. beim zweieinhalb Monate alten Jens. Während seine Mutter Julia ihn auskleidete, sah ich, wie sie Jens plötzlich und mit recht großen Bewegungen umdrehte, indem sie ihn teilweise von der Unterlage hochnahm. Dabei begann sie schon, sich mir zuzuwenden und mit mir zu sprechen. Jens reagierte erschreckt, spannte sich an und manchmal weinte er. Die Reaktion des Babys überraschte die Mutter. Ich fragte Julia, was sie im Kontakt mit Jens wahrgenommen und was sie an ihm, im ganz alltäglichen Umgang beobachtet hatte. Im Gespräch entstanden für sie Zusammenhänge. Sie entdeckte, in welchen Situationen Jens mit Anspannung reagierte oder weinte und wie unterschiedlich sein Weinen für sie klang.
Beim Experimentieren mit Bewegungsunterstützung zeigte ich ihr, wie sie ihn umdrehen kann, indem sie sein Bein etwas anbeugt und die Hüfte umfasst. Ab und zu legte ich dabei meine Hand auf die von Julia - dabeibleibend. Sie probierte aus, welcher Druck für das Baby und für sie angenehm war - spürend. Diesen haltenden, tragenden Kontakt behielt sie bei oder passte ihn bei Bedarf neu an, wenn sie Jens etwas langsamer als bisher auf die Seite drehte. Sie lernte im Spüren, zusammen mit ihrem Sohn. Damit wurde Halt für Jens sicherer, einerseits durch die Berührung der Mutter, andererseits durch das langsame Abrollen seines Rückens und den damit verbundenen, kontinuierlichen und tragenden Kontakt zur Unterlage. Er erschrak dabei nicht mehr und Julia gewann mehr Zuversicht in ihre Fähigkeit, zu spüren und auszuprobieren, wie sie sich auf ihr Kind einstimmen konnte. Sie begann, ganz von selbst beruhigend mit ihm zu sprechen und suchte seinen Blickkontakt, bevor sie anfing, ihn umzudrehen.
Bilder von Erde
In welchen therapeutischen und medizinischen Zusammenhängen wird das Bild "Erde" verwendet, überlege ich. Welche Bedeutung wird dem Begriff "Erde" gegeben und was wird darunter verstanden? Ich suchte in meinem eigenen, mir vertrauten therapeutischen Hintergrund und möchte Ihnen daraus einige Sichtweisen von "Erde" aus unterschiedlichen Perspektiven vorstellen. Auf welche Weise die einzelnen Philosophien oder Aspekte daraus in Verbindung stehen oder stehen können, oder wie sie sich gegenseitig befruchten können, will ich offen lassen.
Bewusster Kontakt zwischen Füßen und Boden ist "Erden". So führte der Begründer der Bioenergetik, Alexander Lowen, diesen für alle Körperpsychotherapien so wichtig gewordenen Begriff, ein. "Erden" beinhaltet ein Absenken des Schwerpunktes im Körper, ein sich Niederlassen und der Erde näher kommen. Das Spüren des tragenden Bodens.
Ein Kennzeichen für Erdung, beschreibt Lowen, sei der Erregungsstrom durch die Beine in die Füße und in den Boden. Der Mensch beschäftige sich mehr und mehr mit den oberen Regionen des Körpers und habe dabei den Zugang zu differenzierter Sinneswahrnehmung und auch zu seiner Kraft, die in der unteren Wirbelsäule und der Beckenmuskulatur verankert ist, verloren. (1 ) Dieser Verschiebung nach oben wird mit bioenergetischen Erdungsübungen entgegengewirkt.
Den Körpertherapien, wie auch der Bioenergetik, die sich aus der Linie von Wilhelm Reich entwickelt haben, geht es um die Auflösung der körperlichen Form der Widerstände, des sogenannten Charakterpanzers und um die Wiederherstellung eines natürlichen Energie- und Bewegungsflusses im Körper sowie um die Befreiung des Gefühlsausdruckes. Das soll durch direkte Arbeit am Körper erreicht werden, wie zum Beispiel durch Unterstützung der Atmung, Massagen, durch Berührung, zum Beispiel als Druck auf angespannte Körperbereiche oder wie in der Bioenergetik auch durch Übungen. Die körperlichen Spannungsmuster werden als "eingefleischter" Ausdruck des Widerstandes bestimmter Charaktertypen gesehen und analysiert.
Körpertherapien, die sich vor dem reichianischen Hintergrund entwickelt haben, betrachteten Erdung zunächst stark körper- und energiebezogen und erst später schloss dieser Begriff auch die Unterstützung durch Beziehungen mit ein.
Der Begriff "Erde" taucht auch in der Chinesischen Medizin auf. Im Rahmen meiner Weiterbildung und Arbeit mit Shiatsu habe ich mich einige Jahre mit Chinesischer Medizin beschäftigt und mich von ihr anregen lassen. Anders als die westliche, symptomatische medizinische Behandlung, betrachtet der chinesische Arzt den Menschen wie eine Landschaft, als Teil der Natur. Er nimmt die Ganzheit des Menschen wahr und sucht zusammen mit ihm nach Ungleichgewichten, nach Übermaß und Mangel.
In der chinesischen Naturphilosophie werden Begebenheiten und Naturphänomene in Bildern und Geschichten erzählt. Ein solches Bild - in Kreisform - stellen die 5 Elemente dar. Richtigerweise werden sie fünf Wandlungsphasen genannt, denn sie sind nicht Grundbausteine der Materie, wie sie fälschlicherweise im Westen manchmal verstanden wurden, sondern Beschreibungen von fünf Naturprozessen.
Als Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser werden in dieser Theorie verwandte Funktionen und Qualitäten beschrieben: "Holz symbolisiert Aktivität, die im Wachstum begriffen ist. Feuer bezeichnet einen maximalen Aktivitätszustand am Wendepunkt, d.h., die Aktivität ist im Begriff, abzunehmen oder von einer Ruheperiode abgelöst zu werden. Metall steht für Aktivitäten, die sich vermindern. Wasser repräsentiert Aktivitäten, die den maximalen Ruhezustand erreicht haben und im Begriff sind, die Richtung ihrer Aktivität zu ändern (Wendepunkt). Erde hingegen beschreibt Balance und Neutralität. In gewissem Sinne bildet die Erde eine Pufferzone zwischen den anderen Phasen." (2)
Mit diesem Modell werden auch die Jahreszeiten und das jahreszeitliche Wachstum der Pflanzen dargestellt. Das Bild der Erde ist in diesem Zusammenhang der Übergang von einer Jahreszeit zur anderen. Sie wird zusätzlich mit dem Spätsommer verbunden.
So werden Naturprozesse betrachtet als miteinander in Verbindung stehend, sich gegenseitig hervorbringend, sich ernährend und begrenzend. Auf diese Weise wirken sie zusammen und unterliegen einem fortlaufenden Veränderungsprozess. Krankheit wird als Störung von Prozessen einzelner Elemente beschrieben - im Verständnis von Ungleichgewichten - sowie als Störung ihres bewegten Zusammenspiels.
Was die chinesische Medizin unter Erde versteht, ist sehr weit gefasst, sie beschreibt zum Beispiel Anatomie und physiologische Vorgänge, Gefühle, geistige Tätigkeit und soziales Verhalten und viele weitere Erscheinungsformen des Lebens. Von der Erde wird als ernährendes und lebenserhaltendes Prinzip gesprochen. Auch hier wird ganz körperlich vom "Boden unter den Füßen" ausgegangen und mit dem Erleben von Standfestigkeit und Selbstvertrauen in Verbindung gebracht. Die Erde gilt als Sinnbild für Fruchtbarkeit und mütterliche Fürsorge, steht für die Fähigkeit, sich Zuhause zu fühlen, Beziehungen einzugehen und zu vertrauen. Anatomisch und physiologisch werden ihr einzelne Organe des Verdauungssystems, ein Teil der Blutbildung und der Abwehrvorgänge (Immunsystem) zugeordnet. Als emotionale Kraft wird das Mitgefühl genannt, sowie die Fähigkeit, sich entspannen zu können, die Mitte zu finden, sich zu konzentrieren und zu meditieren.
Wie wird "Erde" in der Gestalttherapie beschrieben? Meines Wissens wird dieser Begriff nicht explizit erklärt, obwohl viele Gestalttherapeuten in ihrer Praxis von "sich erden" sprechen. Der körperorientierte Gestaltherapeut Jim Kepner nimmt in seinem Buch "Körperprozesse - ein gestalttherapeutischer Ansatz", den Begriff Erde auf. In der Negation, nämlich als "ungeerdetes Selbst" (3) beschreibt er den Prozess der Verminderung unserer Sensibilität als Mangel an Erde. Indem wir unsere Sinnes- und Gefühlswahrnehmungen abstumpfen und unsere Atmung beschränken, reduzieren wir Empfindsamkeit - unsere sensorische Basis.
Körperlich kann die so geminderte Empfindsamkeit in chronischer Muskelkontraktion gerinnen. Wir spüren unseren Körper als Teil unserer Ganzheit weniger oder nicht mehr. Manchmal reagieren wir darauf so, dass wir uns körperlich ertüchtigen, z.B. sportlich "anspornen" wollen, um uns zu spüren. Manchmal, wenn die Körperwahrnehmung weit nach oben gerutscht ist, erleben wir uns mehr denkend. Die Prozesse der Selbstwahrnehmung sind dann nicht mehr im Körper gegründet und mit der Erde verbunden. Wie nahe wir der Erde kommen, uns niederlassen, sie unter unseren Füßen spüren und uns von ihr tragen lassen, lässt uns erfahren, wie wir Unterstützung aus der Umwelt annehmen - vertrauen können.
Erde ist "Stütze"
Vor allem Laura Perls steht für den Aspekt der Stütze, des "Supports" in der Gestaltarbeit.
Ihr Arbeitsstil wird als unterstützend, mit liebevoller und wohlwollender Aufmerksamkeit beschrieben. (4) Auf ihre Beobachtungen als Mutter stützten sich die Anfänge der Gestalttherapie, auf ihre Erfahrungen mit der Nahrungsaufnahme ihrer Tochter. Ihre fast lebenslange Erfahrung mit Körperwahrnehmung, Bewegung und Tanz war ein wichtiger Hintergrund zur Körperorientierung der Gestaltarbeit. Der Zusammenhang zwischen Körper und Seele war Laura früh bewusst. Sie hatte als Kind Tanzunterricht, später beschäftigte sie sich mit östlichen Bewegungsformen und sensitiver Bewegungsarbeit. Wir können davon ausgehen, dass diese Interessen von Laura Perls angeregt wurden von Entwicklungen, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Teil zeitgenössischer Veränderungsbewegungen stattfanden, die den Umgang mit dem Körper und Sichtweisen auf das Leben mit einbezogen - auch östliche Bewegungsformen, wie Yoga wurden bekannter.
Diese Veränderungen beeinflussten sowohl den Tanz wie die Gymnastik, die neben der Psychoanalyse die Ursprünge der Körperpsychotherapie darstellen. Weg von vorgegebenen Tanzschritten und Übungen entwickelten sie sich hin zum individuellen Experiment, zu erfahrbarer Bewegung und Ausdruck. Im Ausdruckstanz zeigt und lebt der Tänzer seine innere Bewegtheit. In der Gymnastik vertrat vor allem Elsa Gindler einen leibpädagogischen Ansatz: Die Teilnehmer ihrer Kurse konnten Bewegung, Haltung und Muskelspannung selbst erfahren und erforschen, im eigenen Tempo. Es ging nicht darum, vorgeführte Übungen nachzuahmen. Eine ihrer Kursteilnehmerinnen war Laura Perls.
Elsa Gindler bot viele Experimente in Verbindung mit der Erde an: Zum Beispiel, wie erfährt jemand ganz bewusst und wach sein Stehen? Wie erfährt sie/er die Beziehung zum Boden? Wie wirkt die Anziehungskraft der Erde beim Gehen ? Wie wirkt sie als Stütze, wie als Widerstand? Sie ließ ihre Kursteilnehmer den Boden in vielen Ausgangspositionen erforschen. Manchmal nahm sie Hilfsmittel, wie Kugeln oder Steine dazu und experimentierte mit der Wahrnehmung von Gewicht. Die Teilnehmer konnten forschen und ihre eigene Natur entdecken.
Lore Perls entwickelte aus ihren unterschiedlichen Erfahrungen mit Körperarbeit ihren eigenen Stil. Sie sagt zu dieser Form der Bewegungsarbeit: "[Sie] betrifft das ganze Support-System, und genau darum ging es uns, als wir es weiterentwickelten: z.B. wie man etwas trägt oder vom Boden aufhebt [ ] Es bedeutet, sich des Zentrums der Schwerkraft bewusst zu sein und es fortwährend unter sich zu halten, so dass man vom Becken unterstützt wird [ ] Das alles ist Teil von Gestalt. Eigentlich kann all das in den Gestaltansatz und die Gestaltmethoden integriert werden". (5)
Doch stützend wirkt nur, was assimiliert und integriert ist. Auf körperorientierte Gestaltarbeit bezogen bedeutet es, dass der Therapeut den Zugang zu seinem eigenen körperlichen Erleben im Kontakt braucht. Die Grundlage dazu ist die Erforschung der eigenen Körperempfindungen. Das betrifft zum Beispiel Körperhaltung, Bewegung und Muskelspannung, das Tast- und Berührungsempfinden und die Wahrnehmung des Körpers im Raum. Körperlichkeit, das Spüren unseres Körpers in Verbindung mit unseren Gefühlen ist Teil der Stütze, wie Laura Perls sie beschreibt. Sie hob die Bedeutung von Stütze als Boden für alle Kontaktprozesse, für ungehinderte Kontaktfunktionen hervor und beschrieb die Weite dessen, was stützend wirkt: "Stütze ist all das, was einer Person, einer Beziehung oder einer Gesellschaft die Assimilation und die Integration von Erfahrung erleichtert: Primäre Physiologie, aufrechte Haltung und Koordination, Sensibilität und Beweglichkeit, Sprache, Gewohnheiten und Sitten, soziale Verhaltensweisen und Beziehungen, und alles andere was wir in unserem Leben erworben und erlernt haben ( ) worauf wir uns verlassen, sogar und in besonderem Maße unsere Kanten und Widerstände (..) gerade weil sie zur Zeit ihrer Entstehung unterstützend waren."6
Anmerkungen:
1 Lowen, Alexander und Leslie, Bioenergetik für Jeden, Peter Kirchheim Verlag, Gauting 1980, S. 19 ff, sowie von Lowen zitiert: Mabel Elsworth Todd aus ihrem Buch "Der denkende Körper"
2 Kaptchuk, Ted J., Das große Buch der chinesischen Medizin, O. W. Barth Verlag, München 1994, S. 391
3 Kepner, James I., Körperprozesse - ein gestalttherapeutischer Ansatz, EHP, Köln 1999, S. 150
4 Doubrawa, Anke und Erhard (Hg.) im Vorwort von: Meine Wildnis ist die Seele des Anderen: Der Weg zur Gestalttherapie, Laura Perls im Gespräch mit Daniel Rosenblatt u.a., Peter Hammer Verlag, Köln 1997, 2005,
5 ebenda, S. 60
6 Perls, Laura, Leben an der Grenze, Essays und Anmerkungen zur Gestalttherapie, Hrsg. Milan Sreckovic, EHP 2005, S. 94
Hanelore Bauer
geb. 1956, Gestalttherapeutin, Heilpraktikerin und Erwachsenenbildnerin, arbeitet freiberuflich in privater Praxis in Köln.
Im Erstberuf als Physiotherapeutin war sie in verschiedenen Kliniken und selbständig in eigener Praxis tätig. In dieser Zeit entwickelte sich ihr Interesse für Körperwahrnehmung, das zur Grundlage für ihren heutigen Arbeitsschwerpunkt wurde.
Gestaltausbildung u.a. bei Hans Jörg Süss, Gisela Hayo-Mortensen und Hunter Beaumont. Langjährige Supervision bei Erhard Doubrawa und Sigrid Unshelm.
Ausbildung in Reichianischer Körperarbeit bei Michael Smith, sowie Weiterbildungen in Atemtherapie, Shiatsu und Feldenkrais.
Ihr Anliegen ist die spürbare und fühlbare Verbundenheit von Körper und Seele, das sie auch in ihrer Lehrtätigkeit weiter zu geben sucht.
Umfangreiche Lehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung zu Themen ganzheitlicher Gesundheitsbildung sowie Lehrtätigkeit in der Ausbildung von Heilpraktikern. Sie entwickelte eine gestalttherapeutische Prüfungsvorbereitung für Heilpraktiker.
Lehrtherapeutin am Gestalt-Institut Köln (GIK)