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Hans-Peter Arnold / Stefan Blankertz / Erhard Doubrawa
Gestaltintegrierte Strategieentwicklung (GIS):
Den Gestalt-Ansatz für Coaching-Prozesse verfügbar machen


Aus der Gestaltkritik

Gestaltkritik - Die Zeitschrift mit Programm aus den GIK Gestalt-Instituten Köln und Kassel
Gestaltkritik (Internet): ISSN 1615-1712

Themenschwerpunkte:

Gestaltkritik verbindet die Ankündigung unseres aktuellen Veranstaltungs- und Weiterbildungsprogramms mit dem Abdruck von Originalbeiträgen: Texte aus unseren "Werkstätten" und denen unserer Freunde.

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Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

  Hier folgt der Abdruck eines Beitrages aus der Gestaltkritik (Heft 2-2004):

Hans-Peter Arnold / Stefan Blankertz / Erhard Doubrawa
Gestaltintegrierte Strategieentwicklung (GIS):
Den Gestalt-Ansatz für Coaching-Prozesse verfügbar machen

 

Foto: Hans-Peter ArnoldHans-Peter Arnold

Für jeden Klienten eine neue Theorie?

Miriam Polster schrieb einmal (Was gibt´s Neues? in: Erving und Miriam Polster: Das Herz der Gestalttherapie. Beiträge aus vier Jahrzehnten, Köln 2002): »... Einer der Vortragenden zitierte Rank mit dessen Aussage, er brauche für jeden Klienten eine neue Theorie. Natürlich meinte er damit nicht, dass er jedes Mal ganz von vorne anfing. Was er sagen wollte, war vielmehr, dass er sich die Freiheit bewahren wollte, auf die neue Einladung zu reagieren, die jeder ihm noch unbekannte Klient ihm implizit entgegenbrachte. Dieselbe Gelegenheit bietet sich auch uns. Was es Neues gibt? Meine Damen und Herren, gut, dass Sie fragen. Den Klienten.«

Den Coaching-Klienten? Der Bedarf an Coaching steigt. Therapeuten, Trainer und Berater finden im Bereich der Unterstützung bei beruflichen Problemstellungen neue Betätigungsfelder. Auch viele Führungskräfte sowohl im Profit- als auch im Non-Profitbereich sehen sich inzwischen häufig mit der Anforderung konfrontiert, für ihre Mitarbeiter als Coach fungieren zu müssen.

Aufgabe von Coaches ist es, ihre KlientInnen in die Lage zu versetzen, immer höhere und teilweise sogar in sich widersprüchliche Erwartungen zu erfüllen, die das Berufsleben an sie stellt, wie etwa Flexibilität, Hochleistung, Innovationskraft, Qualitätsbewusstsein, Teamfähigkeit, Lösungskompetenz, Stressresistenz, Mitarbeitermotivation, Entscheidungsstärke. Nicht selten verbinden sich mit einem Coaching auch sehr konkrete Ergebnisvorstellungen, z.B. die Lösung eines konkreten Konfliktes oder die Einhaltung bestimmter Zeit- oder Kostenziele bei einem Projekt.

Es liegt darum nahe, in einem Coaching zu versuchen, die KlientInnen den Aufgaben- und Arbeitsbedingungen anzupassen. Konzepte für solche Vorhaben heißen Sozialtechnologien, weil sie postulieren, mit bestimmten Eingriffen in menschliches Verhalten vorhersehbare Ergebnisse zu liefern. Aber Engagement, Kreativität, Flexibilität und Verantwortungsübernahme können nur von Menschen erwartet werden, die »intrinsisch« motiviert sind: die sich mit ihrer Aufgabe identifizieren. Dies predigt der Managementberater Reinhold K. Sprenger (»Mythos Motivation« von 1991 ist sein berühmtes, noch heute provokatives Buch) seit vielen Jahren; aber sein Ruf verhallt ungehört. Im Ergebnis: Bankraub, der nächst liegende Weg zum Geld, ist erfreulicherweise »out«; Sozialtechnik, der nächst liegende Weg zur Veränderung (»einfach anders machen«), ist »in«!

Der Gestaltansatz bietet die wirklichkeitskonformere Sichtweise an, Wachstum als Prozess der kreativen Anpassung zu leben, in der das Individuum und die Umwelt sich gegenseitig beeinflussen und verändern, ohne dass eine der beiden Seiten ein Übergewicht erhält. Mit der Gestaltorganisationsberatung liegt schon eine Adaption für betriebliche Zusammenhänge vor. Aber: Das gefühlte Risiko, dass ein therapeutisch orientierter Ansatz in Bezug auf konkrete Aufgaben, Ziele und Zeitbudgets versagen könnte, ist bei Beratern und Klienten hoch.

Deshalb ist das zentrale Anliegen des von Hans-Peter Arnold in Zusammenarbeit mit dem Gestalt-Institut Köln entwickelten Instrumentes »Gestaltintegrierte Strategieentwicklung« (GIS), die - angesichts der Randbedingungen im Coaching legitime - Erwartung einer themen- und zielorientierten Arbeit in die Gestaltarbeit zu integrieren. Herausgekommen ist ein neuer Fokus: Waren Ressourcen, Hemmungen und Unterstützungssysteme bisher vor allem zu einer authentischen Persönlichkeit zu integrieren, werden sie jetzt schwerpunktmäßig mit Zielen und Handlungsergebnissen, also in ihren konkreten Wirkungen (auch) auf die externe Welt betrachtet.

Erfahrene Gestalt-ArbeiterInnen können sich GIS so vorstellen: Sie werden ein konkretes Rahmenthema aus dem beruflichen oder geschäftlichen Bereich haben, auf das Sie immer wieder zurückkommen. Sie werden vorhandene Ressourcen strukturieren, übersichtlich machen, miteinander in Beziehung setzen und dabei eine optische Hilfestellung einsetzen. Und Sie werden das Experiment, eins der spannendsten Instrumente der Gestaltarbeit, häufiger und planvoller einsetzen. Sie werden dabei das erste Strategieentwicklungsinstrument einsetzen, das die Planung in den Umsetzungsprozess integriert. Dieses Novum aus dem Blickwinkel des Strategieentwicklers: Bisher wurden Planung und Umsetzung als getrennte Aufgaben wahrgenommen und von ganz unterschiedlichen Konzepten getragen, was in Organisationen bedeutet, dass sie auch von unterschiedlichen Personen oder Abteilungen zu verantworten waren. Die dabei auftretenden Brüche in Informationsstand, Know-how und Handlungsenergie bewirken erhebliche Entwicklungshemmungen.

Anders dagegen mit Gestaltarbeit: Hier ist die Planung ein Stückchen im Prozess, die Vorbereitung des Experiments, verfügbare Ressourcen neu zu kombinieren und damit Schritte zu gehen. Und noch etwas bleibt Gestalt-typisch: Die KlientInnen können selbst steuern, dass sie aus der Arbeit mitnehmen, was ihre Ressourcen hergeben. Sie werden sich ihrer Stärken bewusst, und werden Ziele und Handlungen auf das einstellen, was ihnen entspricht. Darum folgt jetzt zunächst, was Arbeiten mit GIS eben zu Gestalt-Arbeiten macht.

 

Wirkung durch Würdigung

Gestaltarbeit wirkt durch Würdigung, z.B. in der Gestalttherapie: Der Klient kommt zum Therapeuten, weil er mit einem Lebensproblem meint, nicht mehr allein fertig werden zu können. Vorsichtig lässt ihn der Therapeut erleben, dass er selbst in Wirklichkeit über außerordentliche Kräfte verfügt, die ihm das Überleben ermöglichen. Durch die Würdigung dieser Kräfte kommt der Klient in Kontakt mit seiner Fähigkeit, Lösungen seines Problems für sich zu finden. Dieser Kontakt macht es ihm möglich, sich selbst, seine Mitmenschen und seine Umgebung so wahrzunehmen, dass er die Unterstützung spürt, die er daraus ziehen kann.

Häufig sind die heutigen Probleme das Ergebnis von früheren Problemlösungsversuchen. Sie waren damals sinnvoll. Doch heute schränken sie eher ein. Das ist wie mit Kinderschuhen. Vor einem Jahr passten sie wie angegossen. Heute sind sie viel zu klein.

»Würdigung« heißt also, die Kraft zu spüren, die in genau dem Verhalten liegt, das der Klient als »Problem« sieht. Durch diese Haltung der Würdigung kommt der Klient in Kontakt mit seiner Fähigkeit, Problemlösungen für sich selbst zu finden.

Ein wichtiges, wenn nicht das bedeutendste Merkmal der Gestaltarbeit ist die Haltung, mit der Berater und Therapeuten ihre Klienten dabei unterstützen, die eigene organismische Selbstregulation wieder »in Gang zu bringen«. Damit ist die bei jedem vorhandene Fähigkeit gemeint, seine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und die notwendigen Schritte einzuleiten, diese Bedürfnisse zu befriedigen.

Wenn die Bedürfnisbefriedigung klappt, schenken wir der organismischen Selbstregulation keine weitere Beachtung, vielmehr nur, wenn sie nicht klappt. Das geschieht leider relativ häufig. Denn in unserer Kultur haben wir nicht gelernt, auf unsere eigentlichen Bedürfnisse zu achten, sondern eher, sie nicht wahrzunehmen. Und bei dem, was wir tun, orientieren wir uns allzu oft nicht an dem, was wir selbst wollen, sondern daran, was andere von außen an uns herantragen.

Gestaltarbeit will KlientInnen wieder zur »Selbststeuerung« ermutigen und damit Subjektsein wieder erlebbar machen. Die Selbststeuerung lässt sich nach gestalttherapeutsicher Auffassung nur wiederherstellen, wenn die TherapeutInnen die KlientInnen auf dem Weg dorthin bereits als mündige Subjekte ansehen. Nicht die TherapeutInnen kennen die Lösungen und müssten sie den KlientInnen nur noch nahe bringen. Nein, die Klienten müssen ihre Lösungen selbst suchen und finden. TherapeutInnen (bzw. Coaches, BeraterInnen) können ihnen dabei nur Unterstützung anbieten.

KlientInnen sind nicht ohne Grund, wie sie sind. Es ist vielmehr eine Schutzreaktion nach einem erfahrenen Schmerz - oder wahrscheinlich eine Schutzreaktion nach immer wieder erfahrenen Schmerzen und immer wieder erlittenen Verletzungen. Die mit dieser Sichtweise verbundene Haltung achtet und würdigt die KlientInnen. Sie sieht ihr Leben als Geschenk und Kunstwerk.

Aus dieser Haltung heraus bieten GestalttherapeutInnen den KlientInnen ihr eigenes Erleben an, z.B: »Ich empfinde einen starken Schmerz, während ich dir hier und heute zuhöre.« Dann können KlientInnen, die sich vor ihrer Wahrnehmung zu schützen gelernt haben, ihr Erstaunen darüber ausdrücken. Wenn die TherapeutInnen vor empfundenem Schmerz vielleicht weinen müssen, dann können sie vielleicht Betroffenheit dafür empfinden, dass sie bereit sind, sich so tief einzulassen.

 

Drei Beispiele

1. Körperliche Empfindungen des Gestalttherapeuten während der Arbeit mit einem Klienten: Druck im Magen. Last auf den Schultern. Unruhe im Bauch. Wärme. Kälte, zum Beispiel kalte Füße, kalte Hände oder sogar: Arme schlafen ein. Oder: Fehlen von körperlichen Empfindungen.

Mögliche Interventionen: Unter Umständen (meist zu Beginn einer Therapie) wird die Wahrnehmung erst einmal für sich behalten; da muss den KlientInnen noch nahe gebracht werden, wie der Gestalttherapeut arbeitet. Das ist ganz wichtig, denn unvorbereitet mit einer Wahrnehmung des Therapeuten konfrontiert, kann sich der Klient sehr unwohl, weil beobachtet und »bewertet« vorkommen.

Frage an den Klienten: »Was nimmst du gerade in deinem Körper wahr? Ist dir warm? Kalt?« Oder Mitteilung einer eigenen Wahrnehmung: »Meine Arme schlafen gerade ein. Was ist bei dir? Oder: Was löst meine Mitteilung bei dir aus?«

Dem Klienten eine Information geben: »Wir Gestalttherapeuten achten auf alle Wahrnehmungen. Von den Körperempfindungen bis hin zu den Gefühlen. Wir gehen davon aus, dass man handlungsfähiger wird, je mehr man wahrnimmt. Und manchmal kündigen sich bestimmte Empfindungen zuerst in einer Körperwahrnehmung an. Ich spüre beispielsweise einen Druck auf dem Magen. Das ist oft so, bevor es Ärger gibt. Oder: Ich gehe eigentlich gerne zur Arbeit. Doch mein Magen knurrt.«

2. Wahrnehmung von Gefühlen während der Arbeit mit einem Klienten: »Ich fühle mich traurig, fröhlich …« Oder: »Ich fühle gar nichts. Mein Zugang zu meinen Gefühlen ist mir verschlossen.«

Mögliche Interventionen: Wieder könnte die Wahrnehmung erst einmal für sich behalten werden. Oder die Frage, wie sich der Klient gerade fühlt. Welches Gefühl bei ihm gerade im Vordergrund ist. Oder: Man könnte ihn nach dem zur Zeit in seinem Leben vorherrschenden Gefühl fragen. Oder: Man könnte sein Gefühl mitteilen. Einfach als Information. Oder verbunden mit der Frage, ob es ihm etwa genauso geht. Oder interessiert daran, was seine innere Resonanz auf das von mir mitgeteilte Gefühl ist.

Vorsicht: Wenn der Klient nichts fühlt, dann ist es - besonders am Anfang einer Therapie - wichtig, ihm zu verdeutlichen, dass es so ganz in Ordnung ist. Dass er jetzt nicht etwas Besonderes fühlen müsste. Dass es bei unserer Arbeit vielmehr um ein wohlwollendes Beobachten und Erforschen ohne Werten geht. Denn: Die Seele verschließt sich, wenn Wertung im Raum ist. Und zwar nicht nur dann, wenn negative Bewertung im Raum ist. Auch bei positiver Bewertung. Denn wenn z.B. ein Kind seiner Mutter etwas selbst Entdecktes, selbst Gefundenes oder Herausgefundenes zeigt, dann geht es ihm nicht um Lob, sondern um den Ausdruck und die Mitteilung seiner Freude. Dann wäre Loben (»das hast du fein gemacht«) etwas, was die Seele zum Sich-Verschließen bringen könnte. - Besonders, wenn der Klient feststellen könnte, dass er nichts wahrnimmt, könnte er sich kritisiert oder bloßgestellt erleben.

Also: Immer wieder hervorheben, dass es nicht um Wertung, sondern um Erforschen geht. Dass wir nicht ohne Grund so sind, wie wir sind. Dass nichts zu fühlen ganz sicher einmal ein überlebenswichtiger Schutz war. Dass »Widerstand« immer »Beistand« ist, »Stütze«, und nur »jetzt noch nicht« bedeutet. Ganz besonders wichtig: Wenn der eigene Narzissmus der TherapeutInnen, ihre eigene übertriebene Selbstliebe, anspringt, dann wird es heikel. Dann möchten sie erfolgreich arbeiten und arbeiten deshalb vielleicht an den KlientInnen vorbei. Überholen sie. Lassen sie stehen. Fahren vor. Oder machen die Arbeit selbst. Aber eigentlich sollten ja die KlientInnen arbeiten, und nicht die TherapeutInnen. Wenn man also merkt, dass man zu arbeiten beginnt, dann ist da eigentlich schon etwas »faul«.

3. Wahrnehmung von Phantasien, inneren Bildern etc. Die Selbstbeobachtung könnte z.B. lauten: »Während ich mit einem Klienten arbeite, habe ich etwa innere Bilder. Ich sehe eine Burg von festen Mauern umgeben. Oder ein schwarzes Loch. Oder einen warmen Platz irgendwo unter einer milden Sonne. Oder: Ich nehme meine Klientin, die nie verheiratet war, als Witwe wahr, als sie vom Tod ihres Freundes berichtet …«

Mögliche Interventionen:

- Die Wahrnehmungen erst einmal für sich behalten. Dafür gibt es manchmal ausgesprochen wichtige Gründe, z.B. KlientIn und TherapeutIn sind noch nicht sehr vertraut miteinander. Oder KlientInnen neigen dazu, sich in Phantasien, inneren Bildern etc. zu verlieren. Dann wäre eher die Arbeit am »Sichtbaren« angebracht, um den Klienten im Hier-und-Jetzt des Kontakts mit mir zu halten.

- Frage an den Klienten stellen, ob er Phantasien, innere Bilder hat … Jetzt im Augenblick zum Beispiel. Wenn er das bejaht, dann könnte man ihn einladen darüber zu sprechen. Wenn er es dagegen verneint, dann könnte man ihm versichern, dass das in Ordnung sei, so wie es ist, und dass jeder Mensch eine andere besondere Gabe habe, er vielleicht aber nicht unbedingt die der inneren Bilder.

- Schließlich könnte der Therapeut dem Klienten von den Phantasien oder inneren Bildern berichten: »Während du das und das erzählst, denke ich das und das.« Sie könnten das in der weiteren gemeinsamen Arbeit nutzen. Eventuell fallen ihm dann eigene Phantasien zu und auf. Oder sie arbeiten damit, was die inneren Bilder des Therapeuten beim Klienten auslösen.

Vorsicht: Gerade innere Bilder sprechen KlientInnen tief in ihrem Wesen an. Daher ist die Verwendung dieser in der therapeutischen Intervention äußerst vorsichtig zu handhaben.

Aus Würdigung, Selbstregulation und Schöpfung der Intervention aus dem eigenen Erleben ist die paradoxe Theorie der Veränderung erwachsen, die für Coaching-Prozesse eine besonders wichtige Rolle spielt. Arnold R. Beisser, der diese Theorie ausformuliert hat, schreibt dazu (in: Wozu brauche ich Flügel? Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter, 1989, dt.: Wuppertal2 2003, S. 139ff):

»Der Gestalttherapeut verweigert die Rolle des ›Veränderers‹, weil seine Strategie darin besteht, den Klienten zu ermutigen, ja sogar darauf zu bestehen, dass er sein möge, wie und was er ist. Er glaubt, dass Veränderung nicht durch Bemühen, Zwang, Überzeugung, Einsicht, Interpretation oder ähnliche Mittel zu bewirken ist. Vielmehr entsteht Veränderung, wenn der Klient - zumindest für einen Moment - aufgibt, anders werden zu wollen, und stattdessen versucht zu sein, was er ist. Dies beruht auf der Prämisse, dass man festen Boden unter den Füßen braucht, um einen Schritt vorwärts zu machen, und dass es schwierig oder gar unmöglich ist, sich ohne diesen Boden fortzubewegen.

Ein Mensch, der sich auf der Suche nach Veränderung in Therapie begibt, ist im Zwiespalt zwischen mindestens zwei einander widersprechenden Bestrebungen. Er bewegt sich ständig zwischen dem, wie er meint, sein zu sollen, und dem, wie er glaubt zu sein. Dabei identifiziert er sich nie ganz mit einer der beiden Seiten. Der Gestalttherapeut fordert den Klienten auf, sich ganz auf eine der beiden Seiten zu begeben - immer nur eine zur jeweiligen Zeit. Mit welcher Seite der Klient auch beginnt, er wird bald auf die andere wechseln. Der Gestalttherapeut bittet ihn einfach zu sein, was er im gegebenen Augenblick ist.

Der Klient kommt zum Therapeuten, weil er verändert werden will. Viele Therapieformen akzeptieren das als legitimen Ausgangspunkt und machen sich dann daran, den Klienten mit verschiedenen Mitteln zu ändern; dabei etablieren sie eine Dichotomie, die Perls ›Topdog‹ und ›Underdog‹ nennt. Ein Therapeut, der versucht, einem Klienten zu helfen, hat die partnerschaftliche Position verlassen und ist zum wissenden Experten geworden, wobei der Klient die hilflose Rolle spielt - und dies, obwohl das Ziel darin besteht, dass Klient und Therapeut gleichberechtigt werden. Der Gestalttherapeut nimmt an, dass die Topdog-Underdog-Dichotomie bereits im Klienten existiert und dass die eine Seite in ihm die andere ändern will. Darum will er vermeiden, in eine der beiden Rollen verwickelt zu werden. Er versucht, dieser Falle zu entgehen und ermutigt darum den Klienten, beide Seiten in sich - immer eine zur Zeit - als seine eigene zu akzeptieren. […]

Der Gestalttherapeut glaubt außerdem daran, dass der Mensch von Natur aus ein einheitliches, ganzes Wesen ist und nicht aufgespalten in zwei oder mehr gegensätzliche Teile. In diesem natürlichen Zustand verändert er sich ständig auf der Basis des dynamischen Austauschs zwischen sich und seiner Umwelt.

Kardiner hat festgestellt, dass Freud bei der Entwicklung seiner strukturellen Theorie der Abwehrmechanismen Prozesse zu Strukturen gemacht hat (zum Beispiel wurde aus Verleugnen Verleugnung). Der Gestalttherapeut hält Veränderung dann für möglich, wenn das Gegenteil geschieht, d.h. wenn Strukturen in Prozesse überführt werden. Wenn das passiert, öffnet sich der Mensch dem teilnehmenden Austausch mit seiner Umwelt.

Wenn fragmentierte, voneinander entfremdete Teile des Selbst in einer Person die Form separater Rollen annehmen, regt der Gestalttherapeut eine Kommunikation zwischen diesen Rollen an. Gegebenenfalls fordert er sie buchstäblich dazu auf, miteinander zu sprechen. Falls der Klient dem widerspricht oder auf eine Blockade hinweist, lädt der Therapeut ihn einfach ein, sich vollständig in den Widerspruch oder die Blockade hineinzuversetzen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Integration eintritt, wenn der Klient sich mit den entfremdeten Fragmenten identifiziert. Folglich kann man anders werden, wenn man - vollständig - wird, was man ist.

Der Therapeut selbst ist jemand, der nicht nach Veränderung strebt, sondern nur danach zu sein, wer er ist. Die Bemühung des Klienten, den Therapeuten in eine seiner Stereotypen von Menschen einzupassen, z.B. in die des Helfers oder Topdogs, führen zu einem Konflikt zwischen ihnen. Der Endpunkt ist erreicht, wenn jeder von beiden er selbst sein und dabei innigen Kontakt mit dem andern halten kann. Auch der Therapeut kommt in Bewegung und ändert sich, wenn er danach strebt, gegenüber der anderen Person er selbst zu sein. Diese Form gegenseitiger Interaktion hat möglicherweise zur Folge, dass der Therapeut dann am wirkungsvollsten ist, wenn er sich am meisten verändert. Denn wenn er offen für Veränderung ist, hat er wahrscheinlich den größten Einfluss auf seinen Klienten. […]

Da Veränderung sich exponentiell beschleunigt, ist es für das Überleben der Menschheit entscheidend, dass eine geordnete Methode sozialen Wandels gefunden wird. Die hier vorgeschlagene Veränderungstheorie hat ihre Wurzeln in der Psychotherapie. Sie entwickelte sich aus dyadischen therapeutischen Beziehungen. Aber ich meine, dieselben Prinzipien gelten für soziale Veränderungen, und der individuelle Veränderungsprozess ist nur ein Mikrokosmos des sozialen Veränderungsprozesses. Unvereinbare, unintegrierte, feindselige Elemente stellen eine große Bedrohung für die Gesellschaft dar, genauso wie für das Individuum. Die Trennung von alten und jungen Menschen, von reichen und armen, von schwarzen und weißen, von Akademikern und Hilfsarbeitern etc. aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Generationen, Gebieten oder Schichten ist eine Gefahr für das Überleben der Menschheit. Wir müssen Wege finden, diese abgekapselten Fragmente miteinander in Verbindung zu bringen, damit sie zu Ebenen eines teilnehmenden, integrierten Systems der Systeme werden.

Die paradoxe Theorie sozialer Veränderung, die ich hier vorschlage, basiert auf den Strategien, die Perls in seiner Gestalttherapie entwickelt hat. Sie lassen sich nach meiner Meinung auf die Organisation und Entwicklung von Gemeinden und auf andere Veränderungsprozesse anwenden, die mit demokratischen politischen Strukturen zu vereinbaren sind.«

 

Weiteres aus dem Gestalt-Werkzeugkasten

Ansätze, gestalttherapeutische Elemente in Coaching- Prozessen einzusetzen, waren schon zu Beginn der 1990er Jahre weit entwickelt, um nicht zu sagen: ausgereizt. Das Buch von Wolfgang Looss: »Coaching für Manager. Problembewältigung unter 4 Augen« (Erstausgabe 1991) ist nicht zufällig noch heute ein Bestseller, der immer neue Auflagen erlebt. Darum noch ein kurzer Blick in den »Gestalt-Werkzeugkasten«, bevor wir uns der »Verdaulichkeit« dessen widmen, was an der GIS neu und anders ist.

Gestaltarbeit widmet sich der Entdeckung und Erschließung von Ressourcen - ein Schwerpunkt, der für Coachings wie geschaffen erscheint:

Die Überzeugungen und Arbeitsformen der Gestaltarbeit, die der gebotenen Kürze wegen in Aufzählungsform folgen, sind so realistische wie wachstumsorientierte Ressourcen in Entwicklungsprozessen, und damit auch in Coachings:

1. Zieloffenheit: Nur wenn ein Mensch seine Ziele verfolgt, hat der Aufbau von Energie für die Umsetzung eine faire Chance. Paradigmatische Zielvorgaben erfüllen diese Voraussetzung nicht.

2. Energieaufbau: Gestalt gibt mit der »Gestaltwelle« eine differenzierte und individuelle Information über den Aufbau und den Einsatz von Energie. Das ist eine Konkretisierung und ermöglicht die nachhaltige Arbeit mit »Motivation«, anstatt sie, wie sonst gerne, über Hormonausschüttungen kurzfristig herbeizuzaubern.

3. Anerkennung von Widerständen: Widerstände treten regelmäßig auf, sie sind erfahrungsbedingte Regulatoren und für eine Kultur denknotwendig. Ein kreativer und produktiver Umgang mit ihnen ist für nachhaltige Entwicklungsprozesse unabdingbar.

4. Aufmerksamkeit: Sinnvolles, zielgerichtetes Handeln wird regelmäßig durch Selbstregulation gehemmt. Durch gerichtete Aufmerksamkeit können solche Hemmungen sichtbar gemacht und auf Angemessenheit hinterfragt werden.

5. Kontakt: Die Qualität des Kontaktes ist entscheidend für das Vertrauen zwischen Menschen. Vertrauen ist die Eintrittskarte für die Therapeutin wie für den Berater, an der Entwicklung des Klienten / der Klientin teilhaben zu dürfen.

6. Unterstützungssysteme: Vielfach in der Anwendung eingeschränkt auf therapeutische Anliegen, wie an Gefühle heranzukommen oder Klienten die Angst vor dem Ausdruck von Gefühlen zu erleichtern, gehören Unterstützungssysteme zur Gestaltarbeit. So wie Atmung und Körperfunktionen die Identifikation von »Gestalten« unterstützen, können Bildung und Fertigkeiten, Freunde oder Selbsthilfegruppen, Familie oder Arbeit die Handlungsmöglichkeiten der KlientInnen erweitern und unterstützen. Dieser weitere Begriff der Unterstützungssysteme (vgl. Erving und Miriam Polster: Das Herz der Gestalttherapie. Beiträge aus vier Jahrzehnten, Wuppertal 2002, Teil III: Die Rolle der Gemeinschaft) führt in die Möglichkeit der Ressourcenanalyse, die KlientInnen Bewusstheit verschafft über die ihnen verfügbaren Potenziale.

7. Arbeitsmaterial: Das Arbeitsmaterial der Gestaltarbeit dient dazu, dass KlientInnen sich selbst entdecken können und dafür Anregungen erhalten, z.B. mit Experimenten, Arbeiten mit Polaritäten, Träumen, Phantasien. Solche Anregungen sind für ein Coaching - in dem es ja darauf ankommt, unter Zeitdruck Ergebnisse zu erzielen - nicht nur wünschenswert, sondern eigentlich das Letzte, worauf man verzichten könnte.

Auch die Arbeitshypothese, dass KlientInnen bereits über Ressourcen verfügen, die zur Problemlösung erforderlich sind, scheint zur Arbeit mit der sich nicht unbedingt »krank« fühlenden Coaching-Klientel sehr gut zu passen.

 

Warum Strategien entwickeln?

Dennoch zeigt die Erfahrung, dass Coaching-KlientInnen die Gestaltwerdung häufig als bedrohlich und zu langwierig betrachten. Sie können mit einer rein wachstumsorientierten Methode oft wenig anfangen und vermissen beim Gestalt-

Coaching das konkrete Zugehen auf eine Problemlösung, das sie als ein planvolles Vorgehen mit vorhersagbarem Ergebnis erwarten. Kurzum, es gibt zwei wichtige Gruppen von Gründen, die einen potenziellen Coaching-Klienten daran hindern, eine Gestaltarbeit in Erwägung zu ziehen:

1. Der Fokus der Gestaltarbeit: Handeln in Berufen, Geschäften und Organisationen erfolgt bereits in komplexen Zusammenhängen. Die Seele mit ihrer eigenen Komplexität macht die Sache nur noch unüberschaubarer, die Arbeit mit ihr ist den KlientInnen unbekannt und weckt Ängste.

2. Ergebnisorientierung: Ein Klient, der sich einen Berater für zielgerichtetes Handeln sucht, hat Interesse an einer Lösung und nicht so sehr an Selbsterfahrung. Er wird letzteres in Kauf nehmen, wenn es notwendig ist. Vor allem will er aber eine Problemlösung, Input für einen Plan oder, wenn er eher experimentell veranlagt ist, Ideen für den nächsten Schritt.

Orientierung auf ein Entwicklungsziel, ein roter Faden für die Arbeit, Struktur und Übersichtlichkeit, kognitiv wahrnehmbare Ergebnisse: Obwohl solche Merkmale unseres Wissens nie zu Todfeinden der Gestaltarbeit erklärt wurden, waren sie andererseits auch nicht erklärte Entwicklungsziele des Gestaltansatzes. Um so etwas kümmerte man sich woanders: In der Strategieentwicklung, neuerdings auch strategisches Management genannt.

Die folgenden Ausführungen haben einerseits zum Ziel, die GestaltarbeiterInnen ein wenig mit der Welt von KlientInnen vertraut zu machen, die »strategisch drauf sind«. Andererseits sollte dabei deutlich werden, welche Bereicherungen die Gestaltarbeit für diesen Sektor anzubieten hat.

Die vorhandenen Ansätze zur Strategieentwicklung lassen sich in zwei Gruppen sortieren (die im Folgenden erwähnten Ansätze werden in unserem Teilnehmer-Handbuch beschrieben):

Gruppe 1: Nicht-normative theoretische Modelle, z.B. Harvard-Modell. Problem: Keines dieser Modelle stellt den Strategieentwicklungsprozess vollständig dar. Der Coach ist auf interdisziplinäres »Patchworking« (z.B. Harvard-Modell + Gestalt-Organisationsentwicklung + Management-Informations-System + Strategische Kontrolle) angewiesen, wobei die Modelle nicht miteinander kompatibel sind. Darüber hinaus sind sie inhaltlich unbestimmt und daher nicht anregend.

Gruppe 2: Sozialtechniken, die auf Grund einer mehr oder weniger sorgfältigen Analyse einer gezielten Auswahl von Erfolgsfällen postulieren, welche Ziele und Maßnahmen richtig sind. In diese Gruppe gehören die Lehren von Sun Tse, Niccolo Macchiavelli, NLP mit allen Ablegern, »simplify your life«, Engpasskonzentrierte Strategie (EKS). Problem: Selbst was in Tausenden von Einzelfällen funktioniert, läuft in Millionen anderer Fälle nicht, weil jeder Fall anders ist. Bei Benutzung

einer Sozialtechnik muss der Anwender vorgegebene Zielvorstellungen und Maßnahmen auf seine individuellen Verhältnisse konkretisieren und dabei Bedingungen schaffen, die den Bedingungen fremder Strukturen so weitgehend entsprechen, dass deren Erfolgsmuster reproduziert werden können. Mit anderen Worten: Die Anwendung gelingt, wenn (zufällig) ähnliche Ressourcen vorhanden sind wie in der sozialtechnischen Vorlage, anderenfalls scheitert sie.

Für beide Gruppen der Ansätze zur Strategieentwicklung gilt, dass ihre Schwächen nun nicht einfach mit Gestaltarbeit ausgebügelt werden können. Eine Marktanalyse wird nicht anregender, eine Sozialtechnik nicht situationsgerechter, wenn man ihren planerischen Introjekten eine Umsetzungsmethode hinzufügt. Vielmehr ist es so, dass Entwicklungsmaßnahmen nur dann eine Erfolgschance haben, wenn sie mit der angemessenen Energie verfolgt werden. Hier erweist sich Gestaltarbeit als wirkungsvoll, weil sie den Aufbau der Energie und deren Umsetzung in Handlungen und Ergebnisse thematisiert. Damit ist nicht die Planung, sondern die »Gestaltwelle« der Handlungen des Klienten im Mittelpunkt. Und die Gestaltarbeit in ihrem Element.

Wenn aber die Gestaltarbeit eine wirksamere Alternative auch zu den bekannten Ansätzen der Strategieentwicklung ist, dann ist es auch sinnvoll, eine »neue Theorie« für die noch unbekannten KlientInnen zu suchen, die Sie zu einer Zusammenarbeit einladen wollen. Nehmen wir uns diese Freiheit!

 

Was gibt´s Neues?

Der Test auf Tauglichkeit der Gestaltarbeit in Coaching- Prozessen hat ein Ergebnis, das sich, in Polaritäten ausgedrückt, etwa so liest:

1. Ja, viel tauglicher als die bekannten Theorien und Sozialtechniken.

2. Nein, eher nicht tauglich, weil weder richtig fokussiert noch ausreichend ergebnisorientiert.

Im Sinne des eingangs von Miriam Polster zitierten Otto Rank ein Anlass, mit einer neuen Theorie auf die Einladung zum Coaching zu reagieren?

Wir nehmen uns die Freiheit, genau das zu tun und stehen dann vor der Aufgabe, »eine fruchtbare Balance (zu) finden zwischen den grundlegenden Erkenntnissen und der Philosophie (der Gestaltarbeit einerseits) und den neuen Erkenntnissen, die sich aus der lebendigen Verbindung mit den Bedürfnissen und Bedingungen ihrer Zeit (andererseits) ergeben.« (Zitat: Miriam Polster, a.a.O.)

Wie oben bereits ausgeführt, kann die Gestaltarbeit unter Erhaltung ihrer grundlegenden Erkenntnisse und Philosophie nicht beliebig mit Fokus und Ergebnisorientierung »nachgerüstet« werden. Die Gefahr, dass eine neue Theorie Introjekte »einschleppt« und damit die Gestaltarbeit »infiziert«, besteht tatsächlich, besonders wenn es sich um eine Theorie zur Strategieentwicklung handelt. Ihr muss begegnet werden.

Mit den bisherigen Ausführungen können wir immerhin den Anforderungskatalog an die »neue Theorie« zusammenstellen. Da gibt es also grundlegende Erkenntnisse und Philosophien, mit der »die Neue« im Einklang stehen muss:

Wirkung durch Würdigung, die Haltung des Gestalt-Therapeuten/ -Beraters, die paradoxe Theorie der Veränderung, Zieloffenheit, die »Gestaltwelle«, Anerkennung von Widerständen, Aufmerksamkeit, Kontakt.

Dazu gibt es Arbeitstechniken, ohne die Gestaltarbeit nicht wiederzuerkennen wäre und die sich zudem auch im Coaching bewähren dürften:

Arbeit mit Unterstützungssystemen, Experimenten, Polaritäten, Träumen, Phantasien.

Und es gibt schließlich »neue Einladungen« der Coaching- Klientel, die in der Gestaltarbeit bisher nicht vorkommen:

Orientierung auf ein berufliches Entwicklungsziel, ein roter Faden für die Arbeit, Struktur und Übersichtlichkeit, kognitiv wahrnehmbare Ergebnisse.

Suchten wir die »Neue« mit einer Stellenanzeige, würde die vielleicht so lauten:

»Wir sind eine Therapieform in den mittleren Jahren, die nicht mehr ignoriert oder als Spleen abgetan werden kann. Unsere Grundüberzeugungen sind eine Mischung aus klinischen Erfordernissen und philosophischer Erkenntnis, aus Lerntheorie und psychotherapeutischer Technik, aus psychologischen Fragen nach der Natur der Erfahrung und des Erlebens und dem ehrlichen Interesse an anderen Menschen. Die Beherrschung unserer Prinzipien erweitert die Möglichkeiten für lebendigen Kontakt - spontan und ohne Unsicherheit.« (*zitiert nach Miriam Polster, a.a.O.)

Für unsere junge Abteilung «berufliches Coaching» suchen wir Sie, die neue Theorie.

Sie sind unsere Kandidatin, wenn sie nachweisbare Erfolge bei der Strukturierung und Klärung verwickelter Zusammenhänge mitbringen und gewohnt sind, unter Auswertung klienteneigener Ressourcen schnell nachvollziehbare Ergebnisse zu erzielen, gerne in der Form von Strategien für unsere anspruchsvolle Klientel. Wir erwarten Ihre Bereitschaft, nach unseren Grundüberzeugungen zu arbeiten und unsere bewährten Arbeitstechniken in Ihre Tätigkeit zu übernehmen.

Diese »Stellenanzeige« steht dafür, dass wir »die Neue« auf dem Markt der Theorien und Lehren gesucht haben, anstatt sie neu zu erfinden. Ein Gebot der Arbeitsökonomie, aber auch die Erkenntnis, dass die Ausschöpfung der Ressourcen des Gestaltansatzes in Bezug auf Wünsche der Coaching- KlientInnen Lücken lässt, für die interdisziplinäre Lösungen erforderlich sind.

Und hier in Stichworten, d.h. ohne intensive Diskussion des Für und Wider, die vielen Lehren, die wir nicht nehmen konnten. Die Beschäftigung mit ihnen hat aber den Horizont erweitert:

- Sun Tse (auch: Sun Tzu, Sun Tsu, Sun Zi, Sunzi). Mit ca. 2500 Jahren älteste bekannte Schrift, die sich ausschließlich dem Thema »Strategie« widmet. Das Original besteht aus 385 Thesen zu 13 Themen der Kriegsführung. Die Kürze der Darstellung hat ihre (handschriftliche) Überlieferung über die Jahrhunderte möglich gemacht und kann auch den heutigen Leser noch begeistern, sofern Fähigkeit und Bereitschaft zu den notwendigen Transferleistungen (Thema, Zeitalter, Kultur) besteht. »Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten ...« Ermuntert heutige Autoren zu zahlreichen Anwendungen auf das Berufs- und Privatleben (z.B. Gitta Peyn, Sun-Tsu über die Kunst des Krieges. »English readers« finden eine weit größere Auswahl vor!)

- Niccolo Macchiavelli. Techniken, wie man Macht erwirbt, sie sich als Herrscher erhält und warum sie verloren geht. Heutige Adepten leiten daraus Verhaltensregeln für Machtmenschen ab (z.B. Robert Greene: Power, Die 48 Gesetze der Macht oder Harriet Rubin: Macchiavelli für Frauen, Strategie und Taktik im Kampf der Geschlechter).

- Die taktischen Empfehlungen Macchiavellis ergeben sich nicht aus Situationsanalysen, sondern aus seinem (pauschalen und negativen) Menschenbild und dem Wunsch nach stabilen politischen Verhältnissen. Letzteren ordnet er moralische Erwägungen unter, der Erfolg (politische Stabilität) heiligt die Mittel. Wegen dieser »nur der Erfolg zählt« Orientierung und ihrer fehlenden Systematik haben die Ausführungen Macchiavellis einen erstaunlich hohen Erklärungswert für Handlungen in Organisationen, die im wirtschaftlichen Kontext nicht sinnvoll erscheinen.

- Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP). Richard Bandler und John Grinder haben Extrakte aus der Analyse des Verhaltens der Startherapeuten Virginia Satir, Fritz Perls, Milton Erickson gezogen, die uns in die Lage versetzen sollen, erfolgreich zu kommunizieren. D.h. hier: Innere Prozesse bei sich selbst und anderen erkennen und systematisch beeinflussen. Ein wesentliches Ziel ist es, eine möglichst große Vielfalt möglicher Verhaltensweisen zu entwickeln: »Wenn dein bisheriges Verhalten nicht funktioniert, dann tue etwas anderes.«

- Das Powerprinzip. Methodenbezeichnung eines der z.Zt. bekanntesten NLP-Anwender und Motivationslehrer, Anthony Robbins. Die Nachahmer (in Deutschland z.B. Jürgen Höller oder Leonard Coldwell alias Bernd Klein) kommen und gehen. Wer bereits Ziele und Strategien kennt, dem kann »das Powerprinzip« zur Aktivität helfen. Ansonsten gilt: »All raved up and no clue where to go ...!«

- Der WOW!-Effekt. Vom ehemaligen McKinsey-Berater Tom Peters gibt es auch Schriften und Seminare zum Selbstmanagement. Sie empfehlen jedem, zur unverwechselbaren Marke zu werden und jedes Vorhaben mit begeisternden Projekttiteln zu versehen, um so genügend Schubkraft zu gewinnen. Die Empfehlungen entstammen jedoch so deutlich der Denk- und Lebensweise des Autors, dass sie nur ähnlich strukturierten Personen zum Erfolg helfen dürften. Einzelne »Tipps« sind dennoch bedenkenswert, und so mancher mag bei Lektüre oder Seminarbesuch einen Motivationsschub empfinden.

- Der erfolgreiche Weg. Nikolaus B. Enkelmann ortet die Quelle von Erfolgen im »Unterbewusstsein« und benutzt Autosuggestion, Meditation, Logotherapie (Viktor Frankl: »Wer ein Warum kennt, kann jedes Wie ertragen«), um dieses mit positiven Introjekten zu beeinflussen.

- Simplify your life. Das Pastoren-Ehepaar Marion und Werner Küstenmacher präsentiert zusammen mit dem Zeitmanagement-Autor Lothar J. Seifert monatlich Auswertungen der Selbstmanagement-Literatur. Auch einige der oben aufgeführten Lehren kommen zur Sprache. Eine der Maslowschen Bedürfnispyramide ähnliche Systematik sortiert die jeweils ca. 10 Artikel des Periodikums in 8 Themenbereiche: Umgang mit Sachen, Geld, Zeit, Gesundheit, Beziehungen, Partnerschaft, Selbstfindung, Spiritualität. »Simplifizierung« gilt als stabiler Trend zu post-materiellen Werten, und entsprechend erfolgreich ist die Veröffentlichung. Gut geeignet als Tippbörse für kleine Veränderungen. Die Vielfalt der Hinweise und notwendige Transferleistungen sind die Herausforderungen für den Leser, mit denen er allein bleibt.

- Harvard-Modell. Materielle, technische, finanzielle und normative Ressourcen entscheiden über den Unternehmenserfolg. Sie bestimmen die Stärken und Schwächen der Organisation, mit denen Chancen/Risiken, die sich aus Veränderungen der Umwelt ergeben, genutzt/bewältigt werden können. Mit zahlreichen strategischen Optionen für »Global Player« - Sehr professionell, aber wo bleibt »der Mensch« (sei er nun KlientIn oder BeraterIn, TherapeutIn oder Coach)?

Diesen Lehren ist gemeinsam, dass sie sich sehr um Ergebnisse (Sieg, Einfluss, Macht, Erfolg, Marktanteile) bemühen. Weil sie diese als erstrebenswert voraussetzen, sind die Lehren nicht zieloffen. Aus demselben Grund fehlt ihnen das Interesse am Menschen: Er wird stets um der Sache willen funktionalisiert.

Menschliche Ressourcen - als Analogien zu biologischen Ressourcen - spielen ausschließlich in einer Denkwelt eine Rolle, die Analogien zur Evolutionslehre bei der Strategieentwicklung benutzt. Zur Erinnerung: Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts wie Justus von Liebig und Charles Darwin entdeckten Entwicklungsgesetze der Entwicklung in der Natur, die durch spektakuläre Erfolge in der Landwirtschaft (Düngungs- und Zuchterfolge) auf sich aufmerksam machten. Ihre Erkenntnisse wurden durch spätere und bis heute lebendige Forschung immer weiter differenziert. Wegen ihres hohen Erklärungswertes für natürliche Entwicklungen wurde die Evolutionstheorie bald auch auf gesellschaftliche Entwicklungen angewendet, wobei sie durch Missbrauch u.a. auch im rassistischen Sinne in die Kritik geriet. Wie bei jedem Werkzeug kommt es aber auch hier darauf an, was man damit macht: Für die Strategieentwicklung ist es interessant, der Natur abzuschauen, wie sie mal mehr, mal weniger nachhaltiges Leben hervorbringt, und zu versuchen, die nachhaltigeren Entwicklungen mit menschlichen Entscheidungen und Handlungen nachzuvollziehen.

 

Zwei Beispiele für die analoge Anwendung der Evolutionstheorie auf Strategien:

1. Wachstum und Gedeihen brauchen immer mehrere Faktoren, bei Pflanzen z.B. Bodenbeschaffenheit (bestimmte Mineralien in bestimmter Zusammensetzung), Licht in bestimmter Dosierung, Wasser in bestimmter Menge. Bekommt die Pflanze z.B. zu wenig Licht, wird ihr eine verstärkte Wässerung nicht zum Wachstum verhelfen. Genauso verhält es sich mit den Mineralstoffen im Boden: Fehlt ein bestimmter Stoff, dann führt nur die Zugabe dieses Stoffes zu verbessertem Wachstum, während andere Stoffe nichts bringen. Diese, als Minimumprinzip bekannte Erkenntnis analog auf menschliche Entwicklungsprozesse angewendet, kann schon zu sehr sinnvollen Entscheidungen führen: Ein Erfinder z.B., dem das Geld knapp wird (Minimumfaktor), muss sich zunächst um die Vermarktung seiner fertigen Erfindungen kümmern, und nicht etwa noch mehr erfinden.

2. Ein Lebewesen, das seiner Umwelt gibt, was diese benötigt, wird von der Umwelt mit Unterstützung belohnt (symbiotisches Prinzip). Analogie: Setzen Menschen ihre Ressourcen nicht unmittelbar zur Befriedigung von eigenen Wünschen ein, sondern von denjenigen anderer Menschen, erhalten sie u.U. wertvollere Ressourcen zurück, als sie hingeben. Der nach innovativen Produkten suchende Verkäufer und der verkäuferisch unbegabte Erfinder sind ein Beispiel.

Die Gemeinsamkeit dieser Beispiele (viele weitere werden in unserem Teilnehmer-Handbuch genannt): Sie lösen Interesse an Personen aus. Was hat der Erfinder im Überfluss? Was braucht dieser Überfluss, um sich in Wachstum zu verwandeln? Solche Fragen können wir in der Gestaltarbeit stellen, und wenn wir sie stellen, fokussieren die Fragen unsere Arbeit.

Weiterhin können wir auf eine erprobte Strategielehre zurückgreifen, um sicher zu gehen, dass Strategien, die mit Analogien zur Evolutionslehre arbeiten, auch eine plausible Chance auf Erfolg haben.

Eine wichtige Anregung zur »Gestaltintegrierten Strategieentwicklung« (GIS) geht von der »Engpasskonzentrierten Strategie« (EKS) aus. Die ursprünglich von Wolfgang Mewes in den 1960er Jahren entwickelte Strategielehre arbeitet als erste mit Justus von Liebigs und Charles Darwins Erkenntnissen über Wachstum bzw. Entwicklung der Arten in der Natur. Ihre Grundlagen sind mit Fallstudien über inzwischen mehr als 10.000 »Erfolgsstories« von Unternehmen, Freiberuflern und Angestellten, belegt. Zentrale Idee der EKS ist es, dass Erfolge durch das Einbringen individueller Stärken, Beziehungen und Fähigkeiten in die Lösung eines brennenden Problems einer Zielgruppe entstehen. Und die Prüfung ihrer grundlegenden Erkenntnisse auf Kompatibilität mit der Gestaltarbeit können wir anhand der folgenden Liste vornehmen:

- Soziale Spezialisierungen (Konzentration auf Zielgruppen und soziale Grundaufgaben) haben Vorrang vor technischen Spezialisierungen (Konzentration auf bestimmte Produkte und Leistungen).

- Stärken ausbauen anstatt Schwächen beseitigen. Vermeintliche Schwächen (z.B. ein veralteter Maschinenpark) beinhalten immer auch Stärken (z.B. geringer Kapitalbedarf).

- Das eigene unverwechselbare Profil schlägt die Kopie vermeintlich überlegener Mitbewerber.

- Immaterielle Ergebnisse (Kundenzufriedenheit, Vertrauen, Lerngewinne) sind wichtiger als der kurzfristige materielle Gewinn.

- Lieber auf einem kleinen Gebiet der Erste als auf einem größeren der Zweite.

- Leistungen sind nicht für einen abstrakten Markt bestimmt, sondern stets für Menschen. Ein maßgeschneidertes Angebot ist nur durch Feedback der Zielgruppe möglich. Betrachten Sie alles aus Sicht der Zielgruppe (alterozentriert statt egozentriert)!

- Entscheidend ist allein, welches Problem die Zielgruppe für ihr wichtigstes hält!

- Hinter jedem Problem steht ein Bedarf nach einer Problemlösung, und jede Problemlösung ist eine Marktchance. Je mehr Probleme, desto besser!

- Entwickeln Sie nicht selbst, was andere bereits vorgedacht und entwickelt haben!

- Kooperation ist immer erfolgreicher als Konkurrenz und Wettbewerb.

Der Vergleich mit den grundlegenden Erkenntnissen der Gestaltarbeit zeigt einige wichtige Unterschiede auf:

1. Zieloffenheit: Die EKS betrachtet es als erfolgsnotwendig, die Marktführerschaft für die jeweils angebotenen Lieferungen oder Leistungen anzustreben. Dieses Paradigma kann in einer Gestaltarbeit nicht vertreten werden, vielmehr werden individuelle Ziele entwickelt und hinterfragt, um für die Persönlichkeitsentwicklung und Strategieumsetzung schädliche Introjekte zu vermeiden.

2. Anerkennung von Widerständen: Die EKS erklärt Widerstände in der Strategieentwicklung und -umsetzung zu Hindernissen, die entweder durch motivierendere Zielsetzungen oder durch Kooperationspartner überwunden werden müssen. Gelingt dies nicht, ist die EKS-Methode am Ende. Dagegen der gestalttypische Ansatz: Widerstände werden (als Selbstregulation) wertfrei angeschaut und anerkannt, um der Anpassung der Strategie an den Menschen zu dienen (Rekurs auf Stärkenprofil, Zielsetzungen, Zielgruppen). Denn Veränderung geschieht - nach der paradoxen Theorie von Arnold Beisser - dadurch, dass der Mensch lernt, mit seinen Hindernissen zu leben.

3. Aufmerksamkeit: EKS ist ausschließlich auf Fakten orientiert, die sich als Stärken und Erfolge darstellen und mit dem Verstand erfassen lassen. Gestalt erschließt dagegen die dem Verstand nicht (mehr) präsenten Ressourcen durch »Neugier« für übersehene Geschehnisse, unterdrückte Handlungen, unterbrochene Angelegenheiten usw. und sorgt damit für den individuell passenden Verlauf der Strategieentwicklung und -umsetzung.

4. Kontakt: Dem Gestalt-Kontaktmodell hat die EKS kein Äquivalent entgegenzusetzen. Damit bleibt die EKS bei den sachlich orientierten »Es«-Beziehungen stehen: Beteuerungen, die Lösung des dringendsten Problems anderer Menschen (der Zielgruppe) zu beabsichtigen, werden damit in psychologischer Hinsicht nichts anderes als eine Instrumentalisierung der Zielgruppe für den eigenen Erfolg. Gestalt bestreitet zwar nicht die Berechtigung von Beziehungen auf der »Es«- Ebene, setzt solchen aber das Modell der die Menschlichkeit des Gegenüber würdigenden »Ich-Du«-Beziehung hinzu. Eine solche Beziehung kann einen Kontakt aufbauen, der beidseitig vertrauenswürdig ist und damit eine wichtige Voraussetzung schafft, dass dringende Bedürfnisse geäußert und dafür Lösungen gefunden werden können.

5. Unterstützungssysteme: Bildung, Erfahrungen und Kontakte sind sowohl in der EKS wie auch der GIS verwendete Ressourcen. Darüber hinaus hat Gestalt einen sehr viel weiteren Begriff der Unterstützungssysteme (z.B. Körper- und Atemfunktionen, Familie, Haus, Kleidung, Gewohnheiten), die im Prozess eingesetzt werden können.

6. Erfahrungszyklus (»Gestaltwelle«): Für den Aufbau von Energie kennt die EKS einen eher undifferenzierten Motivationsbegriff, der sich aus attraktiven Zielsetzungen speisen soll. Der von Blankertz mit dem Gestalt-Typen Indikator (GTI) praktisch nutzbar gemachte Erfahrungszyklus bietet dagegen differenzierte und individuelle Information über den Aufbau und den Einsatz von Energie, indem er Hemmungen und Übertreibungen im Sinne von Widerständen (siehe oben 2.) bearbeitbar macht.

8. Arbeitsmaterial: Die EKS ist eine Sozialtechnik, die mit methodischen und inhaltlichen Ratschlägen arbeitet. Diese sind als Deduktion aus einer gezielten Auswahl von »Erfolgsfällen« entstanden, und können darum die Komplexität der Wirklichkeit eines Einzelfalls nicht richtig abbilden. Der Anwender erhält deshalb nur eine abstrakte Zielvorstellung und einige »handwerkliche« Anweisungen zur Reproduktion des »Erfolgsmusters«, die jedenfalls aus den Denk- und Verhaltensmustern fremder Menschen stammen. Demgegenüber ist Gestalt erfolgreich in der Erforschung und Bearbeitung der Ressourcen des Klienten mit Experimenten, Polaritäten, Träumen, Phantasien und - nicht zuletzt - dem Einsatz des Beraters als Resonanzboden der Ressourcen des Klienten.

Kehren wir gedanklich zurück zu unserer »Stellenanzeige«. Die Kandidatin EKS hat für das Arbeitsfeld »Coaching« einiges anzubieten: Unter ihren Qualitäten sind die vermutlich wichtigsten, dass sie mit klienteneigenen Ressourcen arbeitet und dass ihre Arbeitsergebnisse in Strategien bestehen, wodurch sie dem Coaching-Klienten einen roten Faden und einen kognitiven Halt im Prozess geben kann.

Dass die EKS nachvollziehbare Ergebnisse erzielt, hat sie in vielen Fällen bewiesen. Andererseits gibt es noch viel mehr Fälle, wo ihre Vorgaben einfach nicht passen. Deshalb, und nicht vorwiegend zur Bewahrung der Integrität der Gestalt- Arbeit, verleiht die Entfernung EKS-typischer Introjekte, wie es in der gestaltintegrierten Strategieentwicklung geschieht, dem Verfahren zusätzliche Wirksamkeit. Ganz zu schweigen von der sozialen Kompetenz, die Gestalt aus ihren Grundlagen gewinnt und die der EKS ganz einfach fehlt.

 

Arbeiten mit der »Gestaltintegrierten Strategieentwicklung« (GIS)

Zunächst ist Arbeiten mit der GIS Gestaltarbeit. Das heißt: Nichts von den grundlegenden Überzeugungen und Philosophien muss aufgegeben werden, keine Arbeitsform wird überflüssig oder inkompatibel, wenn KlientInnen mit dem Wunsch auftauchen, mit ihnen zu arbeiten, um ihre berufliche Situation zu verbessern. GestaltarbeiterInnen werden als Coaches also nach wie vor »Neugier« für übersehene Geschehnisse, unterdrückte Handlungen, unterbrochene und erledigte Angelegenheiten, Erfolge und neue Kompetenzen zeigen, mit Kontaktgrenzen, Kontaktfunktionen, Kontaktablauf und Dialogen arbeiten, Introjektionen, Projektionen, Deflektionen, Retroflektionen und Konfluenzen registrieren, Unterstützungssysteme aktivieren, mit Experimenten und Polaritäten, Träumen und Phantasien arbeiten, den Erfahrungszyklus (die »Gestaltwelle«) im Hinterkopf behalten und das Selbst als Instrument einsetzen.

Mit der gestaltintegrierten Strategieentwicklung tritt in dieser Arbeit etwas hinzu, die strategische Kompetenz. Diese ermöglicht es z.B., psychische Dispositionen, etwa die (übertriebene) Unterdrückung der Wahrnehmung von Bedürfnissen zu Beginn einer Gestaltwelle, mit einer Vermutung über Hindernisse bei der Umsetzung vernünftiger Schritte im beruflichen Bereich zu verbinden (so ein Klient könnte z.B. Mühe haben, sein Unbehagen über ein von ihm zu verkaufendes Produkt wahrzunehmen und offen zu kommunizieren). Ist der Klient dagegen wenig in der Lage, aufkommende Bedürfnisse auch mal auszublenden, wird er seine Ressourcen möglicherweise durch Verzettelung blockieren. Die Verhaltensmuster der KlientInnen werden bei solcher Arbeit also auch im Spiegel strategischer Glaubenssätze betrachtet:

1. Durch Konzentration auf überdurchschnittliche Stärken und Abbau von Verzettelung können Ressourcen freigesetzt werden.

2. Die Orientierung der Kräfte auf eine eng umrissene, problembewusste, zahlungskräftige und nicht zu kleine Zielgruppe ist eine sinnvolle Maßnahme zur Konzentration der Ressourcen - »Ein Hund, der viele Hasen jagt, fängt letztlich keinen.«

3. Nicht für jeden ist meine Leistung, sind meine Produkte gleichermaßen sinnvoll und nützlich - ganz bestimmte Menschen aber brauchen sie dringend. Zu diesen Menschen habe ich Zugang, für die setze ich mich ein, denen stelle ich all mein Wissen und meine Fähigkeiten zur Verfügung. Diese Zielgruppe ist auch bereit, meine Leistung entsprechend dem gebrachten Nutzen zu würdigen. Die gegenüber einer Therapie erweiterte Anforderung an den Coach besteht nun darin, sich gleichzeitig der gestalttherapeutischen Grundlagen zu bedienen, während der Fokus der Arbeit strategisch orientiert ist. Um hier eine Erleichterung zu schaffen, haben wir das GIS-Tableau geschaffen, das durch schriftliches Arbeiten den Prozess entlastet (wenn es aufgeschrieben ist, brauche ich mich nicht darauf zu konzentrieren, es nicht zu vergessen), in der Vielfalt der Ressourcen den Überblick zu wahren hilft, Querverbindungen ermöglicht (z.B. machen Fähigkeiten nur in Bezug auf Bedürfnisse einen strategischen Sinn) und das, nicht zuletzt, dem vielleicht ungeduldigen Klienten vor Augen hält, wie weit seine Problemlösung bereits gediehen ist. Dieses Tableau ist Bestandteil unseres Handbuchs und wird Ausbildungsteilnehmern zur Verfügung gestellt.

 

Was bringt die GIS für Coaches?

GestaltarbeiterInnen können mit Hilfe der GIS anbieten, über die Bewältigung von inneren Hindernissen hinaus auch eine planvolle Herangehensweise an die Erwerbsarbeit zu leisten. Ihre Perspektive wird erweitert und schließt zusätzlich zu den »inneren« Systemen der KlientInnen auch dessen »externe« Welt mit ein. Sie erhalten damit Anschluss an eine Klientel, die sich nicht krank fühlt, sondern ihre Ressourcen sinnvoll einsetzen will.

Die Arbeit der StrategieentwicklerInnen wird mit der GIS ressourcenorientierter, praktischer und erfolgreicher werden. Sie werden mit ihrer Arbeit nicht mehr an fehlenden Ressourcen und Widerständen scheitern, weil sie nur noch mit vorhandenen Ressourcen arbeiten und Widerstände kreativ nutzen. Sie brauchen nicht mehr Recherchen zu betreiben, die dann doch nichts nützen. Und es gibt keine KlientInnen mehr, die allein auf Grund fehlender Größe nicht beratungsfähig wären.

Das GIS-Tableau leuchtet mit seiner bildlichen Darstellung nicht nur dem Coach, sondern auch den KlientInnen schnell ein. Sie werden den Nutzen der Beratungsarbeit deutlich spüren.

 

Praxisadressen von Gestalttherapeuten/-innen

Foto: Hans-Peter ArnoldHans-Peter Arnold

Hans-Peter Arnold
Jahrgang 1957, Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Coach und Berater mit selbst organisierter Gestalt- Ausbildung, Schwerpunkt Organisationsentwicklung (u.a. bei Wolfgang Looss, Ed Nevis, Erv und Miriam Polster). Im Rahmen der Beratungsarbeit intensive Beschäftigung mit Strategiekonzepten, u.a. engpassorientierte Strategie (EKS). Seit 1994 in eigener Praxis, davor u.a. KPMG.

Dr. Stefan Blankertz
Jahrgang 1956, Sozialwissenschaftler, Schriftsteller, Coach; zehn Jahre Erfahrung in einer mittelständischen Werbeagentur; seit 1993 Betreuung des Theoriemoduls der Gestaltausbildung am Gestalt-Institut Köln/GIK Bildungswerkstatt.

Erhard Doubrawa
Jahrgang 1955, Gestalttherapeut, -lehrtrainer und -supervisor, Gründer und Leiter des Gestalt-Instituts Köln/GIK Bildungswerkstatt.

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GIK Gestalttherapie Institut Köln
GIK Gestalttherapie Institut Kassel
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Kostenlose Servicetelefonnummer:
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